Die Bewohner unserer Region wären sicher noch lange in Frondienst und Abhängigkeit von den Saarbrücker Herren geblieben, wenn nicht im Jahre 1789 in Paris die Französische Revolution begonnen hätte. Fürst Ludwig von Nassau-Saarbrücken versuchte schnell noch durch Zugeständnisse ein Einsickern der Freiheitsideen aus dem Nachbarland in seine Grafschaft zu verhindern: 1790 befreite er die Völklinger Bauern von den Fronfuhren für das Saarbrücker Schloss. Drei Jahre später hob er sogar die Leibeigenschaft auf. Doch alles vergebens. Im selben Jahr musste Ludwig fliehen, als die französischen Revolutionstruppen anrückten und das Land besetzten.
Dies bedeutete das Ende der Grafschaft Saarbrücken.
Nach dem Frieden von Campo-Formio zwischen Frankreich und Preußen wird Völklingen eine Mairie (Bürgermeisterei) der französischen Republik im Arrondissement Saarbrücken. Der erste „Maire“ (Bürgermeister) war der bisherige Schultheiß Nessler (Anmerkung 7, Seite 22). 1804 leben 613 Menschen in Völklingen.
Einige Anordnungen Kaiser Napoleons waren für unsere Region sehr gut, wobei ihm natürlich die wirtschaftliche Bedeutung unserer Gruben- und Hütten-Industrie besonders wichtig war. Er befahl den Bau einer großen Durchgangsstraße von Straßburg nach Lüttich, die über Saarbrücken und Völklingen nach Trier führte. In Geislautern ließ er (1807) eine Berg- und Hüttenschule errichten, eine Art Hochschule für kaiserliche Techniker und Ingenieure. Und 1812 erteilte er die Genehmigung zur Gründung der Fenner Glashütte.
Nach dem Sieg über Napoleon 1814 bekommt unsere Region innerhalb von rund zwei Jahrzehnten den dritten Landesherren: Der westliche Teil des heutigen Saarlandes wird 1816 in die preußische Rheinprovinz eingegliedert. Völklingen mit inzwischen rund 2000 Einwohnern wird eine preußische Bürgermeisterei im Landkreis Saarbrücken.
Postkarte Ansicht Völklingen 1893
In jener Zeit wäre Völklingen beinahe berühmt geworden und mit einer wichtigen Besonderheit in die Schulbücher aufgenommen worden. Gemeint ist der Geislauterner Dampfwagen. Rund 20 Jahre vor der Eröffnung der ersten deutschen Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth (1835, sechs Kilometer) stand schon Mitte 1819 in Geislautern eine Dampflok auf den Schienen. Aber leider konnte sie wegen einer technischen Panne nicht von der Stelle bewegt werden und wurde später verschrottet.
Der Aufschwung von Völklingen hielt an: Der Ort erhält eine Bahnstation an der Eisenbahnlinie Saarbrücken-Trier, eine Brücke über die Saar bei Wehrden, eine Gendarmerie-Station (Polizei) und ein eigenes Amtsgericht.
Als der Hütteningenieur Julius Buch 1873 die Völklinger Eisenhütte gründet, ahnt niemand, dass mit diesem Ereignis eine Entwicklung beginnt, die rund ein Jahrhundert lang – neben dem Bergbau – die Stadt prägen wird. 1881 erwarb der Kaufmann Karl Röchling die Hütte, die sich in den folgenden Jahren zu einem der größten und modernsten Eisenwerke in Deutschland entwickelte.
Immer mehr Menschen wohnten in Völklingen. In den fünf Jahrzehnten von 1850 bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts wuchs die Bevölkerung von rund 1.500 auf über 10.000 Einwohner. 1876 wurde das neue, zunächst zweistöckige Rathaus (heute das „Alte Rathaus“) bezogen, das dann 1906 zu seiner heutigen Form erweitert und ein Jahr später eingeweiht wurde. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde auch der Alte Bahnhof Völklingen, der seit 1992 unter Denkmalschutz steht, errichtet.
Die jetzt größere Stadt brauchte auch mehr und bessere Verkehrswege. Anfang des 20. Jahrhunderts eröffnete man zwischen Völklingen und Ludweiler eine elektrische Straßenbahnlinie, und mit dem Bau der Karolinger Brücke zwischen Völklingen und Fürstenhausen wurde ein weiterer wichtiger Verkehrsweg errichtet.
Und dann kam der Erste Weltkrieg (1914 bis 1918). Völklingen lag zwar nicht direkt im Kampfgebiet, litt aber dennoch unter einer neuen Form menschlichen Zerstörungswahnsinns: nämlich unter dem Luftkrieg. In den letzten Kriegsjahren gab es hier 328 Fliegeralarme, man zählte 236 Bombenabwürfe.
Nach dem Krieg wuchs die Einwohnerzahl rasch weiter, besonders deshalb, weil immer mehr Menschen auf der Hütte Arbeit fanden. Die Folge: Am 1. April 1937 erhielt die bisherige Bürgermeisterei Völklingen die Stadtrechte.
Die zuvor eigenständigen Gemeinden Wehrden, Geislautern, Fürstenhausen und Fenne wurden der neuen Stadt einverleibt. Schon ein Jahr zuvor durfte die Bürgermeisterei das noch heutige Wappen führen.
Das Wappen der Stadt: Der goldene Löwe im rechten Feld steht für die Grafen von Nassau-Saarbrücken; die schwarze Zange, bedeckt mit schwarzem Hammer und schwarzem Schlägel, die Hütten- und Bergbau-Industrie.
Der Horror des Ersten Weltkrieges aber fand noch eine Steigerung. Während des Zweiten Weltkrieges (1939 bis 1945) wurden die Bewohner der Hüttenstadt zwei Mal nach Mitteldeutschland evakuiert, also aus der direkten Gefahrenzone herausgebracht. Nach dem Ende der Kämpfe begannen die mühevolle Rückkehr der Bevölkerung und der Wiederaufbau der beschädigten Stadt. Die Hütte war von den Alliierten (die Länder, die gegen Hitlerdeutschland kämpften) verschont geblieben, weil man sie in der Nachkriegszeit nutzen wollte.
Nach dieser furchtbaren ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts blicken wir inzwischen auf einen „Rekord-Frieden“ zurück. Niemals zuvor in der neueren Geschichte gab es in unserem Land eine so lange Friedenszeit. Wir müssen alle mithelfen, dass dieser Zustand niemals endet.
Das sagten sich auch die Menschen, die nach 1945 das zerstörte Land wiederaufbauten. In den folgenden Jahrzehnten wuchs Völklingen räumlich und hinsichtlich der Bevölkerung. Von 1946 bis 1990 stieg die Zahl der Bewohner aller Stadtteile von 35.875 auf 46.164, wobei zu beachten ist, dass 1974 die Gemeinden Ludweiler und Lauterbach in die Stadt Völklingen eingegliedert wurden. 1970 wurde das neue Rathaus bezogen, im Alten Rathaus sind Volkshochschule und Stadtbibliothek untergebracht.
Völklingen um 1900. Stadtarchiv Völklingen
Das Völklinger Eisenwerk war infolge der Stahlkrisen 1986 am Ende. Acht Jahre zuvor hatte sich schon die Familie Röchling aus dem Unternehmen zurückgezogen. Die stillgelegten Anlagen wurden 1994 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Mit moderner Technik setzt die Saarstahl AG die lange Tradition der Schwerindustrie erfolgreich fort. Die Einwohnerzahlen allerdings sind in den letzten 20 Jahren auf rund 40.000 Menschen zurückgegangen.
Die lange Geschichte dieser Stadt ist noch an vielen Stellen erkennbar. Wer mit offenen Augen durch alte Straßen geht, kann über mancher Haustür Jahreszahlen aus vergangenen Jahrhunderten entdecken. Er kann sich vorstellen, wie unsere Vorfahren hier gelebt haben, wo wohl früher einmal Werkstätten und Bauernhäuser standen und wo die Kinder gespielt haben.