Da sich bei allen Söhnen Christian Röchlings schon früh eine überwiegend auf das praktische Leben und eine kaufmännische Berufsrichtung zielende Begabung gezeigt hatte, haben die Eltern keinen Versuch gemacht, einen der Söhne für die Fortführung der akademischen Tradition und insbesondere für die Nachfolge der ärztlichen Praxis zu gewinnen…. Um so mehr kam es ihm darauf an, auch die kaufmännische Ausbildung, die damals weitgehend von der persönlichen Initiative des Einzelnen abhing, möglichst vielseitig und gründlich vorzubereiten, vor allem Sprachkenntnisse und wirtschaftliche Erfahrungen in anderen Landschaften und mehreren Branchen zu gewinnen. Schon während des Besuches der höheren Schule wurde mit dieser Spezialausbildung begonnen.
Nach ihrer Gymnasialzeit in Saarbrücken kamen alle vier Söhne unverzüglich in die kaufmännische Lehre. Als Carl am Anfang seiner Stellung in Metz sich dort eigenmächtig eine goldene Uhr und Kette anschaffte, wofür ihm der Vater 500 Franken schicken muss, ist man über diese unnötige Ausgabe sehr aufgebracht und man will gleich einen Ausgleich herbeiführen, indem Carl nichts zu Weihnachten bekommen soll und dafür die anderen entsprechend bedacht werden.
…Für den dritten Sohn Carl, der ein starkes, in der Jugend auch ungezügeltes Selbstbewusstsein besitzt, wird die sprachliche Ausbildung während der kaufmännischen Lehrzeit in der Farbwarenfirma Karcher & Westermann in Metz gesucht…. Auch hier bleiben Sorgen nicht erspart, da Carl sich nicht unterordnen will, es auch an beharrlichem Fleiß und äußerer Gewissenhaftigkeit fehlen lässt, das Geld leicht ausgibt und offenbar reichlich selbstbewusst und keck auftritt. Die Mutter schreibt besorgt:
„Das schlimmste ist, dass er eine große Meinung von sich hat, er ist im Gemüthe aber recht gut, und so hoffe ich zu Gott, dass er sich wieder auf die gute Seite wenden wird…“
Quelle: Dr. med. Christian Röchling, Verlag Starke
Gymnasium aber kein Abitur!
Schulzeit Carls im Saarbrücker Ludwigsgymnasium:
- ab Sommersemester 1836 (9 Jahre): Sexta
- Wintersemester 1836/37: Sexta
- Sommersemester 1837/38: Quinta (in Klammern unleserlich ausgetreten Michaeli 37)
- Wintersemester 1837/38: Quinta
- Sommersemester 1838: Quinta
- Wintersemester 1838/39 – Quarta
- Sommersemester 1838/39 – Quarta
- Wintersemester 1839/40 – Quarta
- Sommersemester 1840: Unertertia
- Wintersemester 1840 – Untertertia
- Sommersemester 1841 – Untertertia
- Wintersemester 1841/42 – Untersekunda
- Sommersemester 1842 – abgegangen Michaeli 42
Quelle: Archiv Ludwigsgymnasium
Das humanistische Gymnasium konnte den ungebärdigen Carl Junior nicht halten. Nach sechs Jahren verließ er die Schule – ohne Abitur!
Vita Carl Röchling 1827 – 1857
1827 | Saarbrücken, am 25. Januar wird Carl Röchling (1827–1910) als Arztsohn geboren. Im Laufe seines Lebens errichtet er ein weit verzweigtes Industrie-Imperium, er zählt zu den ersten deutschen Großindustriellen. |
1836 – 42 | Saarbrücken, 6-jährige Gymnasialzeit (Ludwigsgymnasium) |
1837 | Die Brüder Theodor, Ernst, Carl und Fritz erben zusammen mit dem engen Verwandten Johann Carl Schmidtborn, das Unternehmen ihres Onkels Friedrich Ludwig (1774–1836), einen Kohlenhandel in Saarbrücken. Schmidtborn bemüht sich das bedrohte Erbe zu retten.
Die wichtigsten Kunden wie z. B. De Wendel in Hayingen gingen an den direkten Konkurrenten, die Gbr. Haldy verloren. Neue Absatzmärkte werden in Lothringen und bis ins Pariser Becken erschlossen. |
1844 | Beginn Geschäftstätigkeit, Beginn kaufmännische Lehrzeit Metz: Firma Karcher und Westermann (Farbwaren) und ein Eisenwerk (!) Carl erwirbt perfekte französische Sprachkenntnisse |
1845 – 46 | Militärdienst als einjährig Freiwilliger im 9. Husarenregiment Saarbrücken |
1847 | Rotterdam, Le Havre, Lehrzeit als Speditionskaufmann |
1848 | Revolutionsjahr Carl Röchling kehrt vorübergehend nach Saarbrücken zurück. |
1849 | Saarbrücken, Ausbildung und Mitarbeit im Kohlen- und Bankgeschäft C. Schmidtborn. Daraus entstand 1872 die Firma Gebr. Röchling. |
1850 | Rotterdam, Filialgründung, Handel mit Holz, Kohle, Roheisen, Spedition. Carl Röchling geht als Geschäftsführer in die Niederlande. |
1852 | „Kohlenkonflikt“ mit den Gebr. Haldy um unlautere Wettbewerbsvorteile. Carl Röchling vermittelt erfolgreich in Paris. Carl Röchling gründet zusammen mit den Gbr. Haldy die Koksofenanlage in Altenwald.Übergang vom Handel zur Produktion. Die erste Eisenbahnverbindung Saarbrücken Ludwighafen. Zeitgleich: Verbindung Nancy, Forbach, SaarbrückenBildung einer Verkaufsgenossenschaft mit der (Konkurrenzfirma) Haldy & Co. De facto ein Kartell. |
1855 | Ernst und Carl Röchling werden geschäftsführende Teilhaber. Seit Dezember 1955 firmiert das Geschäft unter dem Namen: „Schmidtborn und Gebr. Röchling“ |
1856 | Vergeblicher Versuch Carl Röchlings die Firma an einem Eisenwerk in Burbach zu beteiligen. Gemeinsam mit der Firma Haldy wird die Hochofenanlage in Pont-à-Mousson gegründet. |
1857 | Carl Röchling heiratet Alwine Vopelius (1837–1918). Sie werden zusammen 14 Kinder haben. In der Mitgift finden sich Anteile der Kohlengrube Hostenbach und jede Menge gute Kontakte im Saargebiet und in Frankreich. |
Carl Röchling 1848
Carl Röchling 1857
Carl Röchling um 1860
Die Kokerei Altenwald
Carl und Alwine Röchling
Die Grube Hostenbach
Vita Carl Röchling 1857 – 1881
1858 | Aufnahme reiner Bankgeschäfte außerhalb des Kohlenhandels. Die Gbr. Röchling werden zu Bankiers der saarländischen Glasindustrie (Vermittlung Vopelius). Expansion der Firma: Kohlenhandel, Bankgeschäft, Chemische Industrie (Kohle), Gaserzeugung, Eisenhandel, Kokserzeugung, Eisenproduktion. Eisenbahnverbindung Paris, Metz, Saarkohlebecken. Erschließung neuer Verkehrswege fördert den internationalen Absatz. Monopolartige Stellung der Firma im regionalen Kohlehandel. Flusskanalisierung der Saar bis Luisenthal, Verbindung zum Rhein-Marne-Kanal. Einstieg Carl Röchlings in den Ruhrkohlehandel. |
1862 | Zweigniederlassung in Duisburg Ruhrort |
1864 | Gaswerksgesellschaft in Saargemünd unter Kontrolle der Gebr. Röchling. |
1870 | Deutsch-Französischer Krieg |
1871 | Völklingen hat 3.123 Einwohner 1880 bereits 6.500 Einwohner und 1910 18.000 Einwohner (30.000 mit Vororten)Carl Röchling befindet sich unmittelbar vor Kriegsausbruch zu Verhandlungen in Paris. Obwohl für knapp ein Jahr kein Kohleexporte nach Frankreich erfolgen konnte, sorgen die Insiderinformationen des mit Vopelius/Röchling verwandten französischen „Wirtschaftsministers“ nach Kriegsende für satte Gewinne. |
1872 | Carl Schmidtborn scheidet aus dem Betrieb aus. |
1873 | Die Kokerei Altenwald wird nach Unstimmigkeiten mit den Haldy´s von den Gbr. Röchling zu 100% erworben. „Die Brücke zum Einstieg in die Eisenindustrie“ |
1874 – 80 | Gründerzeitdepression, allgemeiner wirtschaftlicher Niedergang. |
1875 | Saarbrücken. Die Beschäftigten der Kohlenhandlung und des Bankhauses arbeiten in einem Saal, über allen thront Carl Röchling auf einem erhöhten Stuhl. |
1877 | Die Ludwigshafener Firma wird umbenannt in Fa. Röchling & Klingenburg. Weitere Filialstandorte entstehen in Duisburg, Basel, Middlesborough, Glasgow und Mailand. Carls Bruder Ernst stirbt in Ludwigshafen. Carl bestimmt zeitlebens die Geschäftspolitik in Ludwigshafen. |
1878 | Einzug als Abgeordneter in den Kreistag des Landkreis Saarbrücken. |
1879 | Gebr. Röchling erwerben das Thomas(Stahl)patent.
Völklingen vor Carl Röchling: |
1873 – 79 | „Völklinger Eisenhütte Aktiengesellschaft für Eisenindustrie“ Kapital 500.000, später 1 Mio. RM. |
1877 | Berlin. „Enquete über die Lage der deutschen Eisenindustrie“ |
1879 | Liquidierung des Betriebs für 635.000 RM, das Bankhaus Haldy ist beteiligt. |
1879 | Preußische Schutzzollpolitik („Eisenzölle“) rettet die deutsche Stahlindustrie. (zuvor ungesteuerte Einfuhr des günstigen schottischen und englischen Roheisens) |
1880 | Allgemeiner wirtschaftlicher Aufschwung: neue Hochöfen in Sbr.-Halberg, Neunkirchen, Burbach |
1881 | Versteigerung der stillstehenden Völklinger Anlagen in St. Johann (Rheinischer Hof). Sie werden für 200.000 RM von Franz und Emil Haldy erworben. |
Carl Röchling 1885
Carl Röchling 1885
Carl Röchling um 1890
Saarbrücken, Die Firma Röchling 1875
Plan der Völklinger Eisenhütte um 1878
Vita Carl Röchling 1882 – 1896
1882 | Der Schritt zum Konzern, Produktion steht im Vordergrund:
1882 Carl Röchling erwirbt die Völklinger Hütte für 270.000 RM und wird Eisenwerksbesitzer. Erste Arbeitersiedlungen entstehen in Völklingen (Wehrden). Erwerb von Erzkonzessionen im (deutsch)lothringischen Algringen. Carl plant parallel für Völklingen und Ruhrort/Duisburg-Meiderich. Grundsteinlegung zum ersten Völklinger Hochofen. |
1883 | Völklingen. Inbetriebnahme von Hochofen 1, „Der größte Hochofen an der Saar“ Belegschaft: 1.150, 1885, HO 2 /1888, HO 3 |
1884 – 1893 | Schwierige Förder- und Absatzsituation im preußischen Monopolbergbau an der Saar. Niedergang des privaten Kohlenhandels. Wirtschaftliche Neuorientierung der Gbr. Röchling. |
1885 | Carl Röchling gründet eine Pensionskasse für die Arbeiter. Carl Röchling wird Kommerzienrat. (Minette) Erzfelder werden in Algringen hinzugekauft. |
1886 | Carl wird in die Handelskammer des Saarbezirks gewählt, wo es prompt zu ernsten Konflikten mit Carl Ferdinand Stumm kommt. Carl wird die von Stumm dominierte Handelkammer boykottieren. |
1887 | folgt eine Pensionskasse für „Beamte“ und Angestellte. |
1888 | Dreikaiserjahr. Karl Ferdinand (von) Stumm wird geadelt. |
1889 | Höhepunkt der Völklinger Puddelstahlerzeugung mit 59 Öfen. |
1890 | Errichtung des Thomas-Stahlwerkes. |
1890 (um) | Duellforderung Karl Ferdinand von Stumms an Carl Röchling. „Karl der Große“ gegen „Carl den Kühnen“ |
1890 (nach) | Niederlegung des veralteten Puddlestahlwerks. Bau einer Drahtwalzstraße. |
1892 | Carl Röchling wird Landtagsabgeordneter. Aufgabe des Engagements in Pont-à-Mousson und in Duisburg Ruhrort. |
1894 | Völklingen, Feier 50-jährige Geschäftstätigkeit. Die Ehrengabe der Familie: ein Stammbaum. Pensionskasse für Angestellte der Hütte (Erweiterung). Einweihung des „neuen“ Bahnhofsgebäudes in Völklingen. |
1895 | Carl Röchling hät 50 % des Kapitals der Firma Gebr. Röchling. Umbau / Erweiterung im Thomasstahlwerk, 5 Konverter. |
1896 | Gründung der „Röchling´schen Eisen- und Stahlwerke GmbH“ |
Carl Röchling 1910
Brief Carl Röchlings an seinen Bruder Theodor 1881
Die Völklinger Hütte 1890
Vita Carl Röchling 1897 – 1910
1897 | Um den notwendigen Hochofenkoks selbst herstellen zu können, wird eine Kokerei auf dem Werksgelände in Betrieb genommen. Inbetriebnahme der Völklinger Benzolfabrik. Die Verarbeitung von Kokereinebenprodukten nimmt einen erheblichen Aufschwung. (In der Rückschau zugleich der gesundheitlich gefährlichste Erwerbszweig der Hütte) Tod des älteren Bruders Theodor Röchling. Baubeginn der „Carlshütte“ in Thionville (Diedenhofen an der Mosel) |
1898 | Der Altersruhesitz des Haus am Triller in Saarbrücken ist bezugsfertig. Damit wird dringend benötigter Platz in der Geschäftszentrale in Saarbrücken frei. Tod eines überforderten Hoffnungsträgers. Carl und Alwine Röchlings Sohn, Dr. Richard Röchling, stirbt (Erkrankung/Suizit). Prokura im Werk Völklingen für Louis und Hermann Röchling. Baubeginn des „Hüttenkrankenhaus“ sowie des „Richardstifts“. Einweihung 1899. |
1900 | Bau des neuen Hauptbüros der Hütte. Formelle Einrichtung der Werksfeuerwehr. Investitionen in Völklingen von 1881 bis 1906 = 60 Mio. RM. |
1904 | Gründung der Baugenossenschaft 04. Erste Bauprojekte unter Leitung von Johannes Otto Großwendt erweitern Völklingen um mehrere Stadtteile. Siedlung Lindenhof ff. |
1907 | Völklingen. Einrichtung der „Elektrische Zentrale“ (Kraftwerk). Titelverleihung an Carl Röchling „Geheimer Kommerzienrat“ (Zugang bei Hofe in Berlin), Kronenorden 3. Klasse. Die Völklinger „Erzengel“ werden durch Dampfkräne ersetzt. An der Hofstattstraße entsteht die früheste Werksschwimmhalle Europas. |
1910 | Saarbrücken: Tod Carl Röchlings. Trauerfeier in Saarbrücken und Völklingen. Aktuelle Belegschaft (Völklingen) 5.500. |
1927 | Hundertjahrfeier für Carl Röchling. |
Carl Röchling 1907
Das Stammhaus in Saarbrücken
Carl Röchling um 1910
Die Villa Röchling am Triller 1898
Das Hüttenbad 1907
Völklinger Hochöfner 1895
Wappen von Carl Röchling
Die Angestellten des Saarbrücker Kontors um 1860
Carl Röchling hatte zeitlebens eine besondere Neigung zu allem was schnell, neuartig und modern war. Die Kombination von Kommunikation, Mobilität und preiswertem Massentransport wurde zu einem wesentlichen Teil seiner Erfolgsgeschichte. Aufgewachsen in der ausgehenden Postkutschenzeit des Biedermeier, wurde er mit transnationalen Kanalprojekten, Telegrafi e, Eisenbahnen und schließlich dem Automobil und privater Telefonie konfrontiert.
Kein Wunder, dass die Gebr. Röchling die Saarbrücker Telefonnummer „1“ ihr Eigen nannten. Carl besaß zudem einen der frühesten „Führerscheine“ und kutschierte gerne ein knatterndes neumodisches Automobil durch die engen Saarbrücker Straßen.