Der Volksmund in Völklingen ist schnell und meistens auch zutreffend; aber er ist nicht immer ganz genau. Das repräsentative Anwesen in der Hohenzollernstraße Nr. 8 datiert bereits in die zweite Phase ästhetisch hochwertiger Architektur am Völklinger Hindenburgplatz. Die wilhelminischen Bürgerhäuser der Nachbarschaft mit ihren abwechslungsreich gestalteten Fassaden gehören auch heute zum elegantesten, was die Völklinger Innenstadt zu bieten hat. Das Haus Nr. 8, unmittelbar am Köllerbach gelegen, ließ der erfolgreiche Gynäkologe Dr. Philip Moritz 1926 errichten. Der Bau ist bereits im August 1927 abgenommen worden und entsprach in allen Details der kurzen aber intensiven Phase expressionistisch angehauchter Architektur, die in Völklingen zwar recht häufi g anzutreffen ist, selten aber in dieser Qualität.

Erst ab 1931 kann man von einer „Villa Theis“ sprechen, denn da gingen Grundstück und Haus in den Besitz des Lichtspieltheaterbetreibers Sebastian Theis über. Auch wenn die Familie selber, im Zusammenhang mit ihrer herrschaftlichen Behausung, nie von einer „Villa“ sprach, ist es möglich, dass der Volksmund das über viele Jahre im Besitz der Familie befindliche Anwesen so taufte und sich der Name tief ins kollektive Gedächtnis der Völklinger eingeprägt hat.

Was macht nun die „Villa Theis“ für die Gegenwart so bedeutsam? Einerseits ihre Baugeschichte. In den Jahren 1926 bis 1928 wurde in Völklingen exzessiv gebaut, die Stadt wuchs um ganze Straßenviertel z. B. Beethovenstraße, Louis-Röchling-Straße, um nur einige zu nennen. Dennoch war eine modische „Villa“ wie diese, ganz sicher etwas Besonderes, auch für Völklingen. Nach opulentem Historismus und stylischem Art Deco musste sie ja auffallen. Zum anderen markiert ihre Existenz und wechselvolle Geschichte bis in die Gegenwart, welche kulturelle Bedeutung und auch wirtschaftliche Potenz dem Theis´schen Kinobetrieb eingangs der 30er Jahre zugewachsen war. Der kometenhafte Aufschwung Völklingens in der Gründerzeit ausgangs des 19. Jahrhunderts war inzwischen längst verebbt und auch die Depression nach dem Ersten Weltkrieg hatte einem Zwischenboom Platz gemacht, der zur allgemeinen Weltwirtschaftskrise 1929 dann jäh zerplatzte.

Das Kino sollte sich in dieser Zeit als leidlich krisenfest erweisen. Es befriedigte Kultur- wie Informationsbedarf der Völklinger mit aktuellen Filmproduktionen wie auch der unverzichtbaren „Wochenschau“. Die Villa Theis ist ein steinerner Zeitzeuge.

Über die folgenden Jahrzehnte sagen uns die Bau- und Grundbuchakten nichts. Die Bedeutung der Lichtspielhäuser als Informationsmedium und willkommene Möglichkeit zu bezahlbaren „Fluchten“ aus der tristen Alltagsrealität der Kriegs- und Nachkriegszeit wuchs beständig.

1944 verursachten sechs Artillerietreffer beträchtlichen Gebäudeschaden. Doch war die Villa in der Nachkriegszeit weiterhin Domizil der Kinobesitzerfamilie und in den späten 50ern erlebte sie sogar ihre eigentliche Blütezeit. Stars wie Hans Albers kamen und gingen und im Inneren des repräsentativen Runderkers im Erdgeschoß wurde manch kostbare Flasche Whisky oder Champagner geköpft, die gerade die Filmstars aus dem Westen der jungen, kargen Bundesrepublik durchaus zu schätzen wussten. Für eine kurze, gleichwohl einprägsame Zeitspanne ging es rund um die sechs Völklinger Kinosäle mit ihren jährlich rund einer Million (!) Besuchern geradezu „jet-settig“ zu.

Im Jahre 1961 wurde die „Villa Theis“ an die Stadt Völklingen veräußert, die sie später an die Stadtwerke weiter gegeben hat. Aus dieser Zeit datiert ihr letzter Beitrag zur Kinogeschichte Völklingens. Günther Theis fand, im mehrfach vom nahen Köllerbach überfluteten Keller, einige verrostete Filmdosen mit unerwartet kostbarem Inhalt. Belichtete, völlig unversehrt erhaltene Filmrollen aus Nitrozellulose, die sein Vater Sebastian 1928 in Völklingen hatte drehen lassen, eine Zeitkapsel, ein einzigartiges Dokument. Die Villa ist in der Zwischenzeit aufwändig renoviert worden, heute präsentiert sie sich in einer sehr schmucken Form. Sie beherbergt unter anderem ein Beratungsbüro für den Verkehrsverbund. Andere Räume stehen für Veranstaltungen zur Verfügung.

Das über 80 Jahre alte Haus ist Zeugnis einer Völklinger Zeit, in der die Stadt wirtschaftlich und kulturell gut da stand und die Bürger bei der Errichtung von Wohn- und Geschäftshäusern sich auch gestalterisch Vorzeigeprojekte leisten konnten. Dass die „Villa Theis“ über die Jahre den Stil ihrer Errichtungszeit hat beibehalten können, ist besonders erfreulich.