Ist „Fenner Harz“ Kult? – Nein! Aber wir arbeiten daran.
Ist Fenner Harz ein Mythos? Aber ganz entschieden – Ja!

Nahezu jeder Saarländer Ü50 kennt die markanten gelben Pappdosen mit dem zähfl üssigen, braunschwarzen Rübensirup. Das Zeug ist alles andere als goldgelb à la Blütenhonig „grand cru“ in Imkerauslese und auch nicht Fruchtzucker süß wie rotschimmernde Himbeerkonfi türe. Fenner Harz sieht aus wie Schweröl, schmeckt, nun ja – „markant“ und wäre zweifellos der perfekte Alptraum einer jeden Marketingabteilung, wenn es heute hoffnungsvoll vor der Markteinführung stünde.

Doch die „Harzschmier“ war immer da, seit Generationen steht dieser proletarische Konsumsaurier der ersten Stunde in den Supermarktregalen, wird mit gekauft – und ganz offensichtlich auch regelmäßig konsumiert. Nicht die schlechteste Idee: Fenner Harz mag gewöhnungsbedürftig aussehen aber es ist heimisch, naturrein und – nicht zu fassen – gesund!

Dazu vielseitig verwendbar, neben dem unvermeidlichen Dienst als Brotaufstrich existiert eine ganze Palette von Rezepten die von Hausfrau bis Parkhotel eifersüchtig gehütet werden. Was den Kölner „Rievköcher“ ihr Apfelmus, ist den „Grumbeerkichelscher“ ihr Harzschmier.

Klassische Blechdose Fenner Hartz um 1950, Sammlung Schöpp

Stempel der Gutsverwaltung Fennerhof 1905, Sammlung Faust

Kaum einer weiß, dass der aus Zuckerrüben gewonnene Sirup schon vor über 100 Jahren produziert wurde und als Harz vom Fenner Hof, eben als „Fenner Harz“ in den Handel kam. Fenner Glas, Fenner Harz und die saarländische Fettkohle bildeten fortan ein Dreieck von beinahe mythischer Ausstrahlung. Was, wenn nicht das schwärzliche Rübenharz, süß aber mit bodenständig, bitterwürzigem Abgang, könnte als Gaumensynonym für das zeitgenössische Lebensgefühl der 50er und 60er Jahre stehen?

Bereits vor dem ersten Weltkrieg etablierte sich im späteren Völklinger Stadtteil Fenne eine regelrechte Marmeladen- und Süßwarenindustrie, die sich bis in die frühen siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts halten konnte.

Parallel dazu entstand im Rheinland ein „Zwillingsprodukt“, der „Grafschafter Goldsaft“, damals wie heute von der Josef Schmitz KG hergestellt und erfolgreich vertrieben. Nachdem ein marktbeherrschender Süßwarenkonzern die saarländische Konkurrenz übernommen hatte, rationalisierte er sie nach wenigen Jahren aus der Region. Schlechte Idee!“ Die Saarländer wollten ihr Harzschmier und keinen „Goldsaft“.

Die Verkäufe brachen derart ein, dass nur der Aufdruck „Fenner Harz“ die Lage retten konnte. Die Meckenheimer erwarben die Namensrechte und das „Grafschafter Fenner Harz“ war geboren.

Auch wenn heute die überregionalen Discounter mit Zentraleinkauf überwiegend bewussten Goldsaft aus Meckenheim in ihre Regale räumen, ist die inhaltsgleiche Dose mit dem Logo „Fenner Harz“ noch vielerorts präsent und in den Köpfen der treuen saarländischen Konsumenten fest verankert.

Was geschieht nun, wenn man Rübensirup zum ersten Mal kostet? Seien wir ehrlich, in strammer Konkurrenz zu Honig, Schokoladen-Nußcreme, Konfitüre und ähnlichen Trendprodukten, hat es das vergleichsweise unansehnliche Rübenkraut (obwohl gar kein Kraut drin ist) schwer.

Wer allerdings das gleiche Produkt nach 25 Jahren wieder kostet, erlebt eine überraschende olfaktorische Zeitreise mit Suchtrisiko. Unsere Geschmacksnerven sind eben nicht umsonst schön eng mit dem Hirnstamm verdrahtet, wir „erleben“ unmittelbar das kratzende „Leibchen“ der Nachkriegszeit, die pastellfarbene Kücheneinrichtung, Mutters karierte Schürze, den Geruch von frischgebackenem Brot, den Rübenkrautklecks auf dem Tischtuch und – für besonders phantasiebegabte – auch die fällige Backpfeife…

Mundartbezeichnungen für Rübenkraut:

  • Leckmerie
  • Triala
  • Stips
  • Ziehmichlang
  • Witsch
  • Dudalee
  • Rövekuck
  • Seem
  • Knollekrut
  • Krock
  • Hoink
  • Stroop (Niederländisch)
  • Schäselack
  • Peckeleck
  • Siepnaat
  • Bimbes