Fenner Marmeladenfabrik Waldemar Kolb

Anzeige der Fenner Marmeladenfabrik Waldemar Kolb um 1910

Fast jede Gemeinde bringt früher oder später eine schillernde Gestalt hervor, die den Ort repräsentiert und seine politische, wirtschaftliche oder kulturelle Identität defi niert. Ein solcher Mann war zweifellos Erich Kolb. Sein Lebenswerk ist daher höchst unzureichend mit der Tatsache umschrieben, dass er im dritten Reich „Rottenführer“ der SA war. Und doch sorgte diese, im Nachhinein peinliche Hypothek der Vergangenheit dafür, dass eine Straße schließlich nicht nach ihm benannt wurde. (Der „Rottenführer“ entspricht übrigens einem schlichten Obergefreiten) Nun könnte man, angesichts der eigentlichen
Lebensleistung Erich Kolbs treffl ich darüber nachdenken, ob hier nicht, damals wie heute, einer jeweils opportunen politischen Meinungsmitläuferschaft gehuldigt wurde, aber das ist nicht Aufgabe dieses Booklets.

Während Waldemar Kolb, der ältere Bruder Erichs, 1937, im Jahr der Stadtwerdung Völklingens, die „Fenner Marmeladenfabrik“ kaufte und damit
die manufakturartige Fertigung seines Vorgängers Thomas Adorff in eine rasch anwachsende industrielle Produktion überführte, ist der Beitrag Erichs zu dieser Unternehmung nicht eindeutig zu bestimmen.

Die Produktpalette erweiterte sich erheblich aber das Traditionsprodukt des ehemaligen Fenner Hofs – Rübenkraut blieb im Sortiment.

Fünf Litergebinde Fenner Marmelade

Fünf Litergebinde Fenner Marmelade im Blecheimer um 1950, Sammlung Schöpp

Der einprägsame Name „Lolly“ ist ein Kunstbegriff, den Erich Kolb als Bezeichnung für sein Unternehmen wählte, nachdem ein Annagramm aus den Buchstaben seines Namens bei den Behörden auf Ablehnung stieß. Es klang einem anderen Produkt zu ähnlich. Ob aber die deutschlandweit bekannte Abkürzung für Lutscher, „Lolly“ oder sogar das übernationale „Lollypop“ etymologisch auf die Fenner Werke zurückgehen gleicht der Frage nach der Erstexistenz von Huhn oder Ei.

Tragischer weise kam Waldemar Kolb in den letzten Kriegswochen ums Leben, so dass es schließlich seinem Bruder vorbehalten war, aus dem Fenner Werk mit dem sperrigen Titel „Marmeladen- und Genußwarenfabrik“ Deutschlands zweitgrößte Schokoladenfabrik mit dem griffigen Logo „Lolly-Werke“ zu machen.

Der jahrzehntelange Kampf um Marktanteile, Gebrauchsmusterschutz, Innovationen, Arbeitsplätze und erzwungenes Wachstum wäre alleine eine Publikation wert, denn viele Aspekte, die hier nur gestreift werden können, macht das Schicksal der Lolly-Werke zum Prototypen der Wirtschaftswunderjahre, die auch im Saarland spätestens Ende der 1960er Jahre zu Ende gingen. Erich Kolb war ein innovativer Unternehmer aber keineswegs unfehlbar, seine Leidenschaft galt der Entwicklung höherwertiger Pralinés und Schokoladen, die einen sehr speziellen und damit teuren Maschinenpark erforderten, damit legte er den Keim des Untergangs, denn im Schokoladengeschäft war die Konkurrenz hart und rücksichtslos.

Die Realität des Fenner Werkes hatte wenig mit romantischen Vorstellungen von „Schokoladenfabrik“ zu tun. Das Rohmaterial erreichte die Werksanlagen tonnenweise mittels Tankwaggons über den eigenen Gleisanschluss. Die Aufarbeitung der Zutaten erfolgte vor Ort, ebenso die Fertigung und Verpackung.

Kolb arbeitete im Auftrag aller großen Marken, insbesondere „Storck“, stellte aber auch eine ganze Reihe legendärer Eigenmarken her. „Schokolinchen“, „Ulli-Pudding“, Lolly-Gutzjer“ und viele mehr.

Alleine die Produktion der Marke „Merci“, ein Sortiment edel verpackter kleiner Schokoladenriegel, die noch heute ein Zugpferd von „Storck“ darstellen, erreichte mehrere Tonnen (!) täglich. Der nach der ältesten Tochter Ulrike benannte Vanillepudding war nebenbei die Ursache für mancherlei „Wohlgerüche“ im Umfeld der Anlagen.

Zug um Zug dehnte sich das Werksgelände aus, umfasste alte Anlagen und Neubauten mit den jeweils modernsten Maschinen am Markt. Der Investitionsbedarf war riesig und ebenso der Zwang zu ständigem Wachstum. Beschäftigte Erich Kolb anfangs etwa 250 Leute, waren es später mehr als doppelt so viele.

Die Lolly-Werke entwickelten sich zu einem ernstzunehmenden Wirtschaftsfaktor, die drollige „Drohung“: „Ihr müsst in der Gutzjesfabrik arbeiten“ illustriert diese Bedeutung gewissermaßen aus der Sicht von unten.

Die Beschäftigten waren überwiegend alles andere als Saisonarbeiter. Ein ausgeklügeltes Marketing- und Vertriebskonzept, bereitete den Weg für Chocolatiers und Bonbon-Meister, die die ehrgeizigen Vorgaben Erich Kolbs in puncto Qualität und Quantität umzusetzen hatten. Als Absatzraum stand neben der Bundesrepublik das französischsprachige Ausland an erster Stelle.

Lolly Marzipanriegel

Lolly Marzipanriegel um 1970, Sammlung Schöpp

Familie Kolb residierte standesgemäß in einer Villa auf dem Saarbrücker Rotenbühl. Zeitzeugen fiel auf, dass ordentlich „hochdeutsch“ gesprochen wurde, aber auch der Fahrer im hippen Chevrolet Straßenkreuzer blieb natürlich nicht unbemerkt.

Ulrike Kolb, ganz Fabrikantentochter, machte gelegentlich Gebrauch vom Luxustransportmittel und ließ eingeschüchterte Schulfreundinnen stilvoll nach Hause bringen. Viel bedeutungsvoller als Weltläufigkeit und mondäner Swimmingpool im Hause Kolb war eine übereinstimmend festgestellte, sympathische Maxime: „Familie Kolb hat einen nie verletzend spüren lassen, dass man ärmer war“.

Ausgerechnet das Rübensirup war im Kolb´schen Schokoladenimperium nichts weniger als ein proletarisches Relikt der Vergangenheit. Seine traditionelle Herstellungsweise war angesichts des High-Tech-Standards der übrigen Produktion eine geradezu derbe Ausnahme. Während der herbstlichen Saison erreichten die Zuckerrüben das Werk vor allem in unzähligen gut bewachten Eisenbahnwaggons aber auch traditionell per Lastwagen, bäuerlichem Treckergespann und den Handkarren und „Bollerwagen“ der Privatleute.

Zuckerrüben „auf der Fenn“ abzugeben hatte Tradition und ebenso der Deal, den man damit einging. Ähnlich den Apfelmostereien wurden die Feldfrüchte nicht bezahlt sondern in Naturalien vergolten. Zehn Prozent des Gewichts der gewaschenen Rüben bekam der private Anlieferer in Form von Fenner Harz zugeteilt.

Im Umkehrschluss darf man davon ausgehen, dass sich das Geschäftsmodell auch für Kolb lohnte, das vergleichsweise simple Fenner Harz brachte Geld in die Kasse und das ließ sich treffl ich in den Maschinenpark investieren. Aber die Lagerung, aufwändiges Waschen, schnetzeln, pressen, erhitzen und die entscheidende Vakuumbehandlung kosteten auch viel Platz und der war rar in den expandierenden Lolly-Werken.

Bereits zu Beginn der 1960er Jahre war es schließlich soweit, Erich Kolb beschloss die Harzproduktion zugunsten der präferierten Schokoladenerzeugnisse auszulagern. Das „Fenner Harz“ kam nunmehr als Auftragsprodukt aus Meckenheim. Nur wenig später, wenngleich ohne inhaltlichen Zusammenhang, erreichte die Schere aus Investitionsbedarf und stagnierendem Absatz einen kritischen Wert. Der ewige Konkurrent und zugleich Auftraggeber „Storck“ „übernahm“ die Fenner Fabrik nur um sie nach wenigen Jahren recht sang und klanglos einzustellen. Der moderne Maschinenpark wurde veräußert, und die Mitarbeiterschaft zahlte die Zeche.

35 Millionen Jahresumsatz gingen der Region ebenso verloren wie schokoladenbraune und vanillegelbe Farbtupfer im Einerlei der montan strukturierten Saarwirtschaft.

„…Niemand wusste, aus welchem Grund der kochende Saft plötzlich über die Kesselränder trat. Es ging in Windeseile.

Noch bevor Egon Schanz der Katastrophe gewahr wurde, hatte sich das Teufelszeug bereits über den Boden der Fabrikhalle ausgebreitet, eilte in Form schäumender, mächtiger Zungen auseinander und fuhr zischend über die nassen Fliesen. Es war ein irrwitziges Schauspiel.

Jeder Versuch, sich der Heizanlage zu nähern um das Feuer zu löschen, scheiterte an der Temperatur des durch die Halle rasenden Schaums.

Wer versuchte, dieser Tatsache zu trotzen, verbrannte sich die Fußsohlen, sodass er schreiend kehrt machte und sich an den Rand des ausgeflossenen Sirupsees flüchtete wie an einen rettenden Strand…“

Aus „Schöner Leben“, von Ulrike Kolb

Grafschafter, das Familienunternehmen, das Rübenkraut unter dem Namen Grafschafter Goldsaft bzw. Fenner Harz (fürs Saarland) produziert, kann auf eine über 115 Jahre lange Firmentradition zurückblicken. Josef Schmitz gründete 1893 in Meckenheim eine Feldbranntziegelei und begann Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem Kochen von Rübenkraut, 1904 entstand so als Nebenbetrieb die Fabrikation des schwarzklebrigen Brotaufstrichs. Unter Leitung seines Sohnes Albert wird kräftig in die Rübenkrautherstellung investiert, bis 1955 werden sogar eigene zur Abfüllung verwendete Holzfässer produziert. Den markanten gelben Becher erhält der Brotaufstrich 1953, um sich von anderen Produkten abzusetzen und zudem ist er eine leichte Alternative zu schweren Marmeladengläsern. 1968 wird Dr. Ernst Franceschini, der Schwiegersohn von Albert Schmitz die Leitung des Unternehmens, vier Jahre später wird aus der GmbH eine KG. Im Laufe der nächsten Jahre wird die Produktpalette des Unternehmens immer größer, 1975 sichert sich Grafschafter die Markenrechte für Fenner Harz von der August-Storck-Gruppe, die nach der Schließung der Kolb’schen Werke im Jahre 1973 die Produktion übernommen hatte, ein Jahr später folgt die Übernahme des größten deutschen Apfelkrautherstellers. In den 90er Jahren kommt die Sparte flüssige Industriezuckermischungen hinzu, 1995 wird die Ziegeleiproduktion eingestellt und der Ringofen abgerissen. 2004 tritt in vierter Generation Stefan Franceschini als Geschäftsführer ein. Die Grafschafter Goldsaft KG ist ein nach IFS Food Version 6 zertifiziertes Unternehmen, ist Träger des Clean-Tech-Siegels und des europäischen Siegels mit der Kennzeichnung „geschützte geografische Angabe (g.g.A.). Übrigens: Auf den Etiketten des Rübenkrautes ist die Stilisierung der Burgruine Tomburg bei Wormersdorf, einem Ort in der Nähe von Meckenheim, zu sehen.

„Wenn wir von Familienunternehmen sprechen, dann sind natürlich mein Vater und ich, unsere Familie gemeint. Aber dazu gehören auch die Mitarbeiter, die ja teilweise auch mit ganzen Familien bei uns tätig sind und hier jeden Tag ihr Bestes geben. Dieses Gefühl der Gemeinschaft oder als Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, das ist für mich eigentlich ein Familienunternehmen.“

Stefan Franceschini
Geschäftsführer Grafschafter Goldsaft Josef Schmitz KG

Zuckerrübensirup, auch Rübenkraut genannt, ist der naturreine, konzentrierte Saft der erntefrischen Zuckerrübe ohne deren Pflanzenfasern und ohne jeglichen nachträglichen Zusatz.

Inhaltsstoffe: Rübenkraut
Brennwert: 1267 kJ/299 kcal

Neben Zucker und weniger als 0,5 g Fett pro 100 g enthält Rübenkraut u. a. 23 mg Eisen (!), 96 mg Magnesium und 490 mg Kalium. Es frei von jeglichen Zusatzstoffen, von Natur aus gluten- und laktosefrei.