Im Grunde genommen ist die Technik des Dampfwagens, Dank der Auswertung schriftlicher Quellen derart präzise bekannt, dass die Ankündigung einer „Rekonstruktion“ verbal überzogen erscheint. Tatsächlich ist für diesen Zweck ein großmaßstäbliches Funktionsmodell viel praktischer.
Im Modell funktioniert die Maschine nämlich prächtig, weit besser jedenfalls als das widerspenstige Original, dem unlängst augenzwinkernd ein überzeitlicher „IKEA-Effekt“ attestiert wurde. Die Technik wurde also bereits penibel rekonstruiert, die Steuerung entschlüsselt und erkannte konstruktive Mängel mit dem überlegenen Wissensstand des 20.Jahrhunderts behoben – was bleibt da zu tun?
Unsere Dampfwagenrekonstruktion in Originalgröße hat eine einzige Mission, sie soll eine alte Geschichte neu erzählen, und sie soll sie gut erzählen, mit ihrer physischen Wucht beeindrucken und dem Betrachter die letztendlich fragile Anmutung der Originals (von dem bekanntlich keine Schraube erhalten ist) möglichst nahe bringen.
Was man sieht, basiert auf den, mit genauen Zollmaßen versehenen zeitgenössischen Zeichnungen des ehemaligen Bonner Oberbergamts. Ein Glücksfall! Natürlich haben wir uns auch sorgfältig die technischen Problemlösungen früherer Modellbauer, zum Beispiel in Sachen Ventilsteuerung angeschaut.
Unsere „Feuermaschine“ sollte im Kern eine Filmkulisse werden, vergleichbar der legendären Röhre des U 96 in den Bavaria Filmstudios, überhaupt nicht materialecht aber in der Anmutung so authentisch wie nur möglich.
Unser Werkstoff, typisch für das frühe 21.Jahrhundert, war die „mitteldichte Faserplatte“ oder kurz MDF-Platte, ein praktischer aber wenig aufregender Holzfaserwerkstoff der Europäischen Norm EN 316 (1999). Der „Running Gag“ des ganzen Unternehmens war die strikte Verwendung baumarkttypischen Materials, wie es heute jederzeit und jedermann zugänglich ist. Das aufwendige Farbfinish überdeckt die letztlich unedle Materialität der Maschine und lässt sie in den Augen des Betrachters als ein scheinbar „authentisches“ Stück fremdartiger „Technologie“ erscheinen. Bei der Behandlung der Oberflächen war genau dieser Gesichtspunkt entscheidend. Die Wiedergabe des ganz eigenen technologischen „Kosmos“ der Zeit um 1815 setzt das Bewusstsein voraus, dass eine Reihe, zu diesem frühen Zeitpunkt noch gar nicht entwickelter industrietechnischer Verfahren, das Erscheinungsbild der „modernen“ Eisenbahn des 19.Jahrhunders kennzeichnen sollte.
Die frühe “Feuermaschine“ wirkt mit ihren gusseisernen Oberfl ächen, eigenwilligen Ingenieurlösungen und seltsam untechnischen Dekorationen wie ein Sonderling unter den Lokomotiven.
Als in den frühen 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts der amerikanische Space Shuttle in die Umlaufbahn starten sollte, war man bereits zum Mond und zurück geflogen, hatte aber eine unklare Vorstellung davon, wie ein Objekt von der Größe einer geflügelten Güterzuglok den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre überstehen sollte. Abgesehen davon, das der Orbiter auch die Flugeigenschaften einer Lokomotive aufwies, war die Lösung der 10.000 maßgefertigten Hitzeschutzkacheln sowohl genial als auch ein technologischer Alptraum ohne Zukunft. Die Analogie hinkt wie alle Vergleiche aber auch unser Dampfwagen kämpfte, am äußersten Ende des technisch Realisierbaren mit den begrenzten Möglichkeiten seiner Zeit.
Während die mechanischen Bauteile, Zahnräder aus Gusseisen oder Messing, beschämend ungenau gefertigt waren, Kolben und Zylinder nicht dicht abschlossen und Achslager ungeschmiert blieben, sorgte (übrigens auch wie beim Shuttle) vor allem der mehrteilige externe Kessel für ernste Probleme. Die Technologie der Zeit um 1815 kannte als einzige Lösung den Eisenguss. Solch ein Kessel bestand aus mehreren Baugruppen komplizierter, dickwandiger Teile, für die ungeheuer aufwendige Holzmodel und Sandgießformen hergestellt werden mussten. Alles, beginnend bei den Stützfüßen, den innen liegenden Zylindern, der Rauchkammer und des eigentlichen Dampfkessels bis hin zu den angegossenen Rohrdurchlässen, Konsolen und Gelenken, musste bei der Planung berücksichtigt werden. Schweißbrenner, Niethammer und Trennschleifer existierten noch nicht.
Bereits um 1835 waren Kessel dieser Bauart nicht nur veraltet sondern sogar aus gutem Grund verboten. Das Risiko für fatale Kesselexplosionen war einfach viel zu groß.
Im Vergleich zur wenig später angewendeten Niettechnik erscheint das gewählte Verfahren höllenkompliziert, hoch spezialisiert und ganz einfach erstaunlich zu sein. Der Visionär Arthur C. Clark formulierte zur Technologie der Zukunft „Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden“.
Und umgekehrt?
„Da stelle mehr uns janz dumm…
…und dat andere Loch, dat krieje mer später.“…