Die Geschichte der Zuckerrübe
„So kam ich gelegentlich auf den Gedanken, auch die Teile verschiedener Pflanzen, welche einen süßen Geschmack besitzen, zu erforschen und nach mannigfaltigen Versuchen, welche ich angestellt habe, fand ich, dass einige dieser Pflanzen, nicht nur einen dem Zucker ähnlichen Stoff, sondern in der Tat wirklichen Zucker enthalten, der dem bekannten aus Zuckerrohr gewonnen genau gleicht.“ (Aus Marggraf „Experimenta Chymica…“, 1747)
Sommerurlaub bei Tantchen, das bedeutete für mich Freiheit auf dem Land, Spaß mit Bauernhofkindern und endlose Fahrradflitzereien an Zuckerrübenfeldern entlang. Ohne das Wissen, das aus diesen dicken Rüben, die ihre weißen Kopf aus der Erde streckten, herbsüßer Sirup werden würde. Heute, viele Jahre später, beschäftige ich mich nun ganz intensiv mit der Zuckerrübe, die, sofern man sie nur ordentlich schnitzelt, kocht und presst, ihre ganze Süße preisgibt und das auch noch merkwürdigerweise in der Farbe schwarz.
Die Zuckerrübe oder „Beta vulgaris altissima“ stammt von der wild wachsenden Rübe“ Beta maritima“ ab, die auch heute noch im Mittelmeerraum beheimatet ist. Zur engeren Verwandtschaft gehören Mangold, Rote Beete und die Runkelrübe oder Futterrübe. Bereits in der Antike und im Mittelalter nutzte man Blätter und Wurzel der Rübe und kochte mit dem leicht verdaulichen Saft zahlreiche Arzneien. Süß ist seit jeher eine der liebsten Geschmacksrichtungen der Spezies Mensch und so verwundert es nicht, dass man Alternativen zum Honig bzw. zum Zucker aus Zuckerrohr erforschte.
Als Entdecker des Zuckers in der Rübe gilt der Apotheker und Chemiker Andreas Sigismund Marggraf (1709-1782), der Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften und einer der herausragenden Wissenschaftler seiner Zeit war. Marggraf stellte 1747 fest, dass die im Zuckerrohr enthaltene Saccharose identisch ist mit der aus der Zuckerrübe.
Die Zeit war jedoch noch nicht reif für eine umfangreiche Rübenzuckerproduktion, es existierte noch keine Verfahrenstechnik für die Verarbeitung der Rüben und das Potential der Rübe blieb vorerst unerkannt.
„…als Mittel aber betrachtet, das Elend einer halben Million im Joche der härtesten Tyranney seufzender Menschen aufzuheben, wird diese Angelegenheit für die gesamte Menschheit äußerst wichtig und wohltätig.“
Carl Achard
Achard behielt Recht: Die letzten Sklaven kamen erst frei, als der Rübenzucker den Kolonialzucker verdrängt hatte. Nachdem Marggrafs Erkenntnisse fast 40 Jahre lang in Vergessenheit gerieten, griff Franz Carl Achard (1753-1821) dieses Wissen wieder auf und widmete seine ganze Schaffenskraft dem Ziel, den kolonialen Rohrzucker durch die Errichtung einer heimischen Zuckerproduktion zu ersetzen.
Achard, Schüler Marggrafs gilt damit als Begründer der industriellen Zuckergewinnung. Unermüdlich experimentierte er mit verschiedenen Rübensorten. 1799 präsentierte er seine Ergebnisse in einem Gesuch direkt an den preußischen König Friedrich Wilhelm III. „Ich glaube, durch diese wichtige Entdeckung mir um die Preussischen Staaten ein gewiss nicht unbedeutendes Verdienst erworben zu haben und von Ew. Königliche Majestät….darf ich mir mit Recht eine Entlohnung versprechen“.
Entlohnt wurde er zwar kaum, aber die Zuckerindustrie bekam Dank Achard wichtige Impulse.Die weiße schlesische Rübe konnte als optimale Mutter aller Zuckerrüben identifi ziert werden, da sie bereits einen Zuckergehalt von 5% aufwies.
Daneben veröffentlichte Achard Erkenntnisse zum optimalen Rübenanbau, zu Düngemethoden und Bodenbeschaffenheit. Auf der verfahrenstechnischen Seite der Zuckergewinnung entwickelte er immer effektivere Maschinen zur Rübenverarbeitung. Dieses Wissen verbreitete sich nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, Frankreich und Russland. Mit Hilfe eines königlichen Darlehens errichtete Achard 1802 auf dem Gut Cunert in Schlesien die erste Rübenzuckerfabrik Deutschlands.