Kino im Saarland 1945-1959
Nach Beendigung des zweiten Weltkrieges war die Sehnsucht nach einer heilen Welt, nach Ablenkung und Unterhaltung im Saarland genauso groß wie im restlichen Bundesgebiet. Doch das Saarland hat, aufgrund seines damalig speziellen Status und seiner Historie eine etwas andere Kinogeschichte vorzuweisen. Nach Übernahme der französischen Besatzungsmacht von den Amerikanern, dauerte es noch eine geraume Zeit, bis die Lichtspielhäuser wieder eröffneten, viele Kinos in Saarbrücken waren zerstört und das Baumaterial knapp. Bis zur Entnazifi zierung wurden die noch vorhandenen Lichtspielhäuser unter französische Sequesterverwaltung gestellt. Der Betreiber eines Kinos benötigte damals eine Genehmigung der französischen Militärbehörde.
Bis Ende 1948 lag der Filmverleih konkurrenzlos in französischer Hand und die Filme lieferten entweder der Pool Rhin-Danube oder die IFA. Ende 1947 wurde die „Saar-Film-Verleih GmbH“ gegründet, daran beteiligt waren Unifilm Paris und der Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung. Die erste private Verleihgesellschaft rief Marcel Colin-Reval ins Leben, die Saarfi lm GmbH. Konkurrenz bekam dieser von der am 13. November 1948 gegründeten saarländischen Filmverleih-Genossenschaft eGmbH, dessen Vorstandsmitglieder Dr. Hans Weber und Sebastian Theis waren.
Die Völklinger Kinos waren von der Zerstörung verschont geblieben, weshalb die Bemühungen um die Aufnahme einer organisierten Kinostruktur auch hier ihren Ausgang nahmen. Die erste Tagung der saarländischen Kinobesitzer, die Sebastian Theis einberief, fand 1948 in Völklingen statt. Zwei Jahre später erfolgte die Gründung des „Verband der Lichtspieltheater-Unternehmer des Saarlandes e. V.“, aus der sich 1952 die „Arbeitsgemeinschaft Saarländischer Filmtheater e. V.“ abtrennte. Beide Verbände wurden nach der Wiedereingliederung des Saarlandes 1959 Mitglied im „Zentralverband Deutscher Filmtheater e. V., lösten sich jedoch bald auf, da die Verleiher aus der Bundesrepublik jetzt ihre Filme direkt an die saarländischen Kinos verleihen konnten.
Vor dem Tag X mussten die saarländischen Verleiher die deutschen und synchronisierten Filme über den Zoll einführen und dafür Gebühren entrichten. Die Filme waren bereits entsprechend geprüft und zensiert, dennoch erfolgte im Saarland eine nochmalige strenge Prüfung vom Informationsamt, man war tunlichst darauf bedacht, nichts „Aufreizendes“ durchgehen zu lassen.
Nach dem Tag X (7. Juli 1959) erfolgte eine wirtschaftliche Öffnung des Saarlandes zum restlichen Bundesgebiet hin, was einerseits ein Mehrangebot speziell auch der hochwertigen technischen Produkte aus Deutschland, andererseits aber auch soziale Einschnitte und damit weniger finanzielle Mittel der Bevölkerung zur Folge hatte. Die Saarländer sehnten sich nach deutschen Fernsehsendern, konnten sie doch bisher nur französische Sender und die „Telesaar“ mit den vorgeschriebenen 819-Zeilen-Norm-Geräten empfangen. Mit dem Erwerb der teureren Mehrnormen-Geräte sanken auch im Saarland wie auch im Bundesgebiet die Besucherzahlen in den Kinos. Die große Kino-Ära war vorüber.
Die Geburt des Kinos
1891 erfand Thomas Alva Edison sein Kinetoskop, zwei Jahre später konnten die Zuschauer durch diesen, meist in Spielhallen stehenden Guckkasten tanzende Mädchen, dressierte Tiere und Männer bei der Arbeit beobachten. Nachdem das Kinetoskop 1894 in Paris vorgeführt wurde, begannen die Brüder Auguste und Louis Lumiere einen ähnlichen Apparat zu entwickeln, 1895 war der Kinematograph geboren. Der erste, 20-minütige Film, der gezeigt wurde, bestand aus 10 Filmen, die komödiantische Inhalte und sogar erste Spezialeffekte enthielten, die mit einer beweglichen Kamera aufgenommen waren. Unter dem Publikum war Georges Melies, der Zauberer, Erfinder und Mechaniker, der begeistert von dem was er sah, 1896 das Theater Robert Hodin als erstes Kino eröffnete. Während die Lumieres Dokumentarfilmer waren, avancierte sich Melies zu einem Trickfi lmer aus dem Studio.
Filme: Arbeiter verlassen die Lumiere-Werke (1895, F), Der große Eisenbahnraub (2003, USA), Geburt einer Nation (1915, USA)
1920 – 1929 Goldene Stummfilmzeit
Während des wirtschaftlichen Aufschwunges nach dem ersten Weltkrieg schufen die avancierten Studios die Genres. Western gehörten zum Pflichtprogramm, aber auch die amerikanischen Komödien erfreuten sich größter Beliebtheit. Daneben entstanden Mantel-und-Degen-Filme und die ersten Horrorstreifen. Man begann, bestimmte Rollen mit denselben Schauspielern zu besetzen, sodass für das Publikum Rolle und Schauspieler miteinander verschmolzen. Das postviktorianische Frauenbild begann sich zu wandeln und schuf Platz für eine freigeistigere Ansicht. 1927 läutete der erste erfolgreich kommerziell produzierte Tonfilm „Der Jazzsänger“ die Tonfilmzeit ein, bisher untermalten kostspielige Orchester die Stummfilme. Es setzte sich die „Sound-on-Film“-Methode durch, bei der die Tonspur auf Film aufgenommen wurde – das Kino lernte sprechen.
Filme: Die vier apokalyptischen Reiter (1921, USA), Die zehn Gebote (1923, USA), Goldrausch (1925, USA), Der schwarze Pirat (1926, USA), Metropolis (1927, D)
Schauspieler: Charlie Chaplin, Buster Keaton, Stan Laurel, Oliver Hardy, Rudolph Valentino, Gloria Swanson, Joan Crawford
1930 – 1939 Das Kino entwickelt sich
Der Tonfilm veränderte alles, in den 30er Jahren kamen neue Genres, wie Tanzfilme und Musicals dazu und eine junge Generation von Stars eroberte die Filmbühne und manche(r) SchauspielerIn scheitert am neuen Medium, Charlie Chaplin verweigert sich diesem bis zu „Der große Diktator“, wohlwissend, dass Dialoge seine Komik schwächen würden. Die langsam beginnende Abkehr von moralischen Konventionen führte dazu, dass 1934 zwecks moralischer Selbstkontrolle der Hays Code eingeführt wird. Dieser entwickelte sich zunehmend zur Zensur, selbst Zeichentrickfiguren fielen den strengen Konventionen zum Opfer, Eheleute durften nicht gemeinsam im Bett gezeigt und Kriminelle auf keinen Fall positiv dargestellt werden. Das Technicolor-Verfahren war zwar erfolgreich, wurde aber bei höchstens 20 Prozent der Filme eingesetzt, bekanntes Beispiel hierfür „Der Zauberer von Oz“ und „Vom Winde verweht“. Das erste Autokino eröffnete 1933, 1937 erscheint der erste Zeichentrickfi lm im Spielfi lmlänge, Disneys „Schneewittchen“, die ersten Stop-Motion-Spezialeffekte sind in „King Kong“ 1933 zu sehen.
Filme: Vom Winde verweht (1939, USA), Frankenstein (1931, USA), Die drei von der Tankstelle (1930, D), Es geschah in einer Nacht (1934, USA)
Stars: Greta Garbo, Shirley Temple, Spencer Tracy, Clark Gable
1940 – 1949 Kino und Kriegsjahre
Der Ausbruch des zweiten Weltkrieges in Europa beendete gleichzeitig die Wirtschaftskrise in Amerika und bedeutete bei Vollbeschäftigung volle Kinokassen, von 1943 bis 46 erlebte Hollywood seinen Höhepunkt. In Filmen wie „Casablanca“ wird aufgerufen, die Demokratie gegen den Faschismus zu verteidigen, doch weitestgehend sorgen Western, raffinierte Komödien und Musicals für eine schnelle Flucht aus der Realität, die geprägt war von den schrecklichen Kriegsnachrichten. In Europa beschäftigten sich die Studios vornehmlich mit Propagandafilmen. In Großbritannien entstand 1941 „Listen to Britain“, ein Film der das Lebensgefühl während des Krieges beeindruckend einfing, die Besucherzahlen verdreifachten sich von 1939 bis 1945. Frankreich hingegen stand seit 1940 unter Kontrolle der Nazis und englischsprachige Filme waren verboten. Viele Regisseure wandten sich den unpolitischen Themen zu oder gingen nach Hollywood. Die Filme dieser Zeit spiegeln auch das durch den Krieg veränderte Frauenbild wider, es spielten jetzt starke Frauen in Melodramen wie „Solange ein Herz schlägt“ (1945). 1946 öffnet das Filmfestival von Cannes zum ersten Mal seine Tore und 1940 wird Alfred Hitchcocks erster Film „Rebecca“ gezeigt.
Filme: Citizen Kane (1941, USA), Bambi (1942, USA), Die Feuerzangenbowle (1944, D), Gilda (1946, USA)
Stars: Rita Hayworth, Fred Astaire, Ginger Rogers, Bette Davis, Jane Russell, Humphrey Bogart
1950 – 1959 Das Kino bekommt Konkurrenz
In den fünfziger Jahren bekommt das Kino durch das Fernsehen erstmalig Konkurrenz. Die Studios müssen mit neuen spektakulären Entwicklungen versuchen, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Jack Warner ärgerte sich so über das Fernsehen, dass er sogar verbot, ein solches Gerät in einem seiner Filme zu zeigen. Doch die veränderte Wettbewerbssituation sorgt für neue Techniken wie 3-D-Produktion und Breitwandfi lme. Man wagt sich an teilweise umstrittene Themen, wie Erotik, Drogenprobleme und Rassenmischung heran. Der Ausschuss für unamerikanische Umtriebe sorgte für eine Hexenjagd, überall witterte man die „rote Gefahr“, viele Schauspieler mussten vor diesem Ausschuss aussagen. Die Jugendkultur begann ihre Spuren im Film zu hinterlassen, Marlon Brando und James Dean wirkten wie die Jungs von nebenan. Method acting, dass von einer Gruppe Schauspieler und Regisseure in New York entwickelt wurde, war populär. Neben den jungen Rebellen gab es auch weiterhin Glamour-Stars nach alter Tradition, wie Grace Kelly, Audrey Hephurn und Rock Hudson. 1957 zeigt „Heiße Erde“ den ersten Filmkuss eines Schwarzen mit einer Weißen, 1953 wird die Oscar-Verleihung zum ersten Mal im Fernsehen übertragen.
Filme: Die zehn Gebote (1956, USA), Es geschah am helllichten Tag (1958, D), Der Wilde (1954, USA), Die Brücke am Kwai (1957, USA), Susi und Strolch (1955, USA)
Schauspieler: Alec Guiness, James Dean, Elizabeth Taylor, Richard Burton, Marlon Brando, Marilyn Monroe
1960 – 1969 Neue Wege und das Kino
Europa wird liberaler in Sachen Sex, Mode und Politik, das beeinfl usst auch Hollywood, besonders das französische Kino mit der Nouvelle Vague, einer neuen innovativen Art Filme zu drehen und dabei das Leben der jungen Menschen im Frankreich der 60er Jahre festzuhalten, hinterlässt deutliche Spuren. Der Streik der Drehbuchautoren für gerechtere Entlohnung Anfang der 60er Jahre führt beinahe zu einem wirtschaftlichen Bankrott Hollywoods. Was folgt ist eine umfassende Aufkaufaktion verschiedener Studios durch große, multinationale Unternehmen. Es folgte ein Wandel in Sachen Aufgabenverteilung: Während sich die Studios zu Verwaltungsapparaten mutierten, lieferten die Produzenten Komplettpakete aus Stars, Drehbuch und Regisseur. Die Genres wurden weitgehend von den 50er Jahren übernommen, Western, Musicals und romantische Komödien waren Publikumslieblinge. Der Monumentalfilm „Cleopatra“ mit Elizabeth Taylor brachte 20th Century Fox fast an den Ruin, da die Produktion die Rekordsumme von 44 Millionen Dollar verschlang. Nach Lockerung des Hays Code kann das Verlangen des Publikums nach Sex und Gewalt gestillt werden. 1962 startete mit James Bond die langlebigste Serie der Filmgeschichte und Italo-Western kamen auf, wie „Für eine Handvoll Dollar“. 1960 versetzt Alfred Hitchcock mit „Psycho“ das Publikum in Angst.
Filme: James Bond Goldfinger (1964, GB), Die Reifeprüfung (1967, USA), Mary Poppins (1964, USA), West Side Story (1961, USA), Der Schatz im Silbersee (1962, D)
Stars: Steve Mc Queen, Shirley Mac Laine, Jack Lemmon, Clint Eastwood
1970 – 1979 Das Kino wird unabhängig
Blockbuster locken ins Kino, andere Produktionen floppen, das Filmgeschäft wird eine riskante Sache. Nachwuchsregisseure, den Abschluss der Filmhochschule in der Tasche, vereinten das klassische Kino mit ausländischen Impulsen. Filme über das Erwachsenwerden wurden populär, Steven Spielberg sprach Jugendliche an, Woody Allen kokettierte mit sexueller Verklemmtheit und italoamerikanische Regisseure zeigten ein ausgesprochen hartes und strenges Männerbild in „Der Pate“, dessen Stil am Method acting des Marlon Brando orientiert ist. Der Vietnamkrieg und der Watergate-Skandal inspirierten zu Verschwörungsfilmen, die Amerikas dunkle Seiten aufzeigten.
Filme: Krieg der Sterne (1977, USA), Die Blechtrommel (1979, D), Superman (1978, USA), Der weiße Hai (1975, USA), Saturday Night Fever (1977, USA)
Stars: Sylvester Stallone, John Travolta, Brooke Shields, Susan Sarandon, Robert Redford
1980 – 1989 Die Blockbuster kommen
Hollywood festigte seine Macht wieder, hilfreich sind hierbei die Blockbuster. Die jungen neuen Filmer verlieren ihren Stand im Schatten der großen Produktionen, die durch Werbung und konzipierte Filmkampagnen ihre Stärke ausspielen können. Unterhaltung ist gefragt, weniger der Genius des Regisseurs. Die Erlöse der Blockbuster mit anhängenden Merchandisingverträgen sind phänomenal, das größte Publikum sind junge Menschen im Alter zwischen 12 und 20 Jahren. Horrorfilme und schlüpfrige Teeniekomödien sind angesagt. Ein neues Genre, der Actionfilm, entsteht.
Filme: E.T. – Der Außerirdische (1982, USA), Rain Man (1988, USA), Zurück in die Zukunft (1985, USA), Die weiße Rose (1982, D), Jäger des verlorenen Schatzes (1981, USA)
Stars: Demi Moore, Matt Dillon, John Cusack, Sigourney Weaver
1990 – bis heute Zellulloid wird digital
Die 90er Jahre stehen für einen prägnanten technischen Wandel von Zelluloid zur digitalen Technik. Die Studios produzieren weiterhin Blockbuster, während unabhängige Filmemacher intelligente Dramen schaffen und ein breites Publikum erreichen. Der Trickfi lm Toy Story von 1995 ist der erste durchgängig am Computer hergestellte Spielfilm, Jurassic Park (1993) und Forrest Gump (1994) haben erste, computergenerierte Bilder (CGI). Diese Technik eröffnet neue Möglichkeiten in spektakulären Filmen wie die Trilogie der Herr der Ringe, die Milliarden einspielt. Die neuen Techniken führten zur Gründung der Dogma 95, eine Rückkehr zum schlichten Realismus, der sich verschiedene Regisseure der Independent-Filmszene anschlossen mit Kennzeichnung durch das Dogma-Zertifikat.
Filme: Titanic (1997, USA), Jurassic Park (1993, USA), Findet Nemo (2003, USA), Harry Potter (Start mit Stein der Weisen 2001, USA), Star Wars, Episode 1 (1999, USA), Pappa ante Portas (1991, D)
Hat das Kino Zukunft?
Schon als das Kino erfunden wurde, meinte man, es hätte keine Zukunft. Als Fernseher und Videorekorder aufkamen, war es erst recht dem Tode geweiht. Doch kann der Mensch, der sich die Zukunft stets als Verlängerung der Gegenwart vorstellt, überhaupt seriöse Prognosen abgeben? Ist er tatsächlich in der Lage, die Utopie einer schöneren und besseren Welt vor Augen zu sehen? Wohl eher nicht. Wenn denn nun schon geunkt werden soll, dann sollte man sich erst einmal fragen, was das Kino ist und was es für den Menschen bedeutet.
Kurz auf einen Nenner gebracht, ist Kino aus dem Haus gehen, sich ins Dunkel setzen und die Welt mit anderen Augen betrachten, bevor man wieder nach Hause geht und darüber redet. Es ist also mehr als nur das Anschauen eines Filmes, denn das könnte man auch zuhause mit einer guten Surroundanlage und entsprechender Bildschirmdiagonale. Kino ist also auch ein Gemeinschaftsgefühl, das kollektive Erleben einer Geschichte. Trotz vieler Freizeitaktivitäten, die in direkter Konkurrenz zum Kino stehen, hat das Filmtheater, dass, wenn man ehrlich ist, kostenintensiv und teilweise antiquiert wirkt, bis heute überlebt.
Vielleicht werden in Zukunft irgendwann virtuelle und projizierte Akteure durch unser Wohnzimmer hüpfen, mit denen wir interaktiv die Handlung beeinflussen können oder der Film wird mittels Head-mounted-Display tragbare Realität. Eins ist jedenfalls sicher, die Generationen nach uns wird entscheiden, ob das gemeinsame Erleben noch im Vordergrund stehen wird oder nicht. Doch solange Interesse an Geschichten über Boy meets Girl und der Unvollkommenheit der Spezies Mensch von Interesse sind, solange wird es das Kino geben, in welcher Form auch immer.