Im seit 1920 unter Völkerbundmandat stehenden Saargebiet vollzog sich die Entwicklung der NSDAP bis 1935 anders. Hier lässt sich die Entstehung und Entfaltung der Partei in sechs unterschiedliche Stadien gliedern. Erste Anhaltspunkte der Existenz nationalsozialistischer Tendenzen im Saargebiet stammen aus der Zeit nach der Besetzung des Ruhrgebietes durch französische und belgische Truppen Anfang des Jahres 1923 und dem kurz darauf ausbrechenden Streik der saarländischen Bergleute. Zu diesem Zeitpunkt ist bereits eine erste Ortsgruppe nachweisbar. Nach Hitlers misslungenem Putsch erfolgte im Saargebiet das Verbot der NSDAP durch die Regierungskommission (Reko) erst am 28. Februar 1924. Allerdings formierten sich während des Verbotes Tarnorganisationen.
Am 29./30. Mai 1926 kam es in Homburg zur Wiedergründung der NSDAP im Saargebiet, deren offi zielle Genehmigung durch die Reko erst am 4. Dezember 1926 erfolgte, nachdem die Partei zusagt hatte, von Angriffen auf die Reko Abstand zu nehmen. Die Reichs-NSDAP blieb im Saargebiet bis 1935 verboten. Offiziell genehmigte Adolf Hitler die Bildung eines Gaus Saar bzw. Saargebiet am 1. Januar 1927, den die oberste Saarbehörde erst 1929 anerkannte. Gegen Ende des Jahres 1928 hatte die Partei 234 Mitglieder. Im Laufe des Jahres 1929 stieg die Zahl lediglich auf 261. Die Partei war also noch weit davon entfernt, große Massen zu mobilisieren. Allerdings gelang ihr der Einzug in drei Kommunalparlamente (Stadtrat Saarbrücken bzw. Gemeinderäte Überherrn und Berschweiler). Nach Überwindung einer internen Partei- und Führungskrise 1929 wurde der organisatorische Aufb au der Partei an der Saar langsam vorangetrieben, auch durch einen aus dem Reich entsandten Gauleiter. Eine Konkurrenz zum Zentrum und den linken Parteien war die NSDAP nicht.
Der Leiter der NSDAP-Ortsgruppe Völklingen, Jakob Auler, bestätigt die Auflösung der Völklinger SA und SS.
Bei den Landesratswahlen 1932 stellte sich die Partei den Wählern erstmals saargebietsweit. Sie konnte 6,7 % der Wählerstimmen erringen und schafft e so den Einzug in das Parlament. Bei den im Herbst 1932 abgehaltenen Kommunalwahlen gelangen ihr weitere Erfolge. Eine durch die Reko angeordnete Auflösung der SA und SS, die illegal fortbestanden, verzögerte zunächst einen weiteren Aufstieg. Bei 1933 durchgeführten Neuwahlen in einige Kommunen verbuchte die NSDAP weitere Wahlsiege, womit ihr schließlich ein Durchbruch gelang. Die im Saargebiet traditionell starken katholisch-konservativen Kräfte und das linke Lager konnten aufgeweicht werden.
DF-Mitgliedsausweis des Hans Buchleitner.
Die Übertragung der Regierungsgeschäfte auf Adolf Hitler am 30. Januar 1933 brachte der bis dahin quasi bedeutungslosen saarländischen NSDAP schließlich den Aufschwung, da sich viele Menschen oft aus opportunistischen Gründen umorientierten und auch die bürgerlichen Parteien mit Blick auf die Saarabstimmung und aus anderen Motiven dem Vorgehen Hitlers im Reich nicht ablehnend gegenüberstanden. Zu Beginn des Jahres 1933 zählte die ziemlich verschuldete NSDAP an der Saar gerade einmal rund 2.500 Mitglieder. Innerhalb weniger Monate versechsfachten sich die Mitgliederzahlen. Anfang Mai hatte die Partei 15.000 Mitglieder. Gegen Ende des Jahres 1935, nach der Neugründung der Partei im Zuge der Saarrückgliederung, war die Zahl auf etwa 32.500 angewachsen.
Propagierten bis 1933 alle Saarparteien – frankophil orientierte Gruppierungen ausgenommen – eine Wiedervereinigung mit dem Deutschen Reich änderte sich dies v.a. bei den linken Parteien nach der Machtübernahme durch Hitler. Im Vorfeld der sich anbahnenden Saarabstimmung 1935 wurde aus dem Reich eine weit angelegte Kampagne lanciert, eine Massenbewegung für die Rückgliederung zu formieren, in welche taktisch geschickt die konservativ-bürgerlichen Parteien an der Saar eingebunden werden sollten. Zur Bildung einer ersten DF, auch unter Zutun von Hermann Röchling, um gemeinsam für eine Rückgliederung des Saargebietes zu kämpfen, kam es am 15. Juli 1933 zwischen Zentrum, DNVP, DSVP, der Wirtschaft spartei und der bis dato noch schwachen NSDAP. Führer dieser DF, in der die Parteien noch ihre Selbständigkeit behielten, war der Nationalsozialist Alois Spaniol. Ende September und Anfang Oktober 1933 lösten sich die bürgerlichen Parteien auf. Es bildete sich die zweite DF mit einer weiterhin eigenständigen NSDAP. Am 26. Februar 1934 löste sich schließlich auch die NSDAP augenscheinlich auf. Am 1. März 1934 wurde die dritte DF gegründet, deren Anführer bzw. Landesleiter Jakob Pirro (NSDAP) wurde.
Die DF mit ihren am Ende ca. 550.000 Mitgliedern war organisatorisch an den Aufb au der NSDAP angelehnt. Mit ihr entstand eine Einheitspartei, die dem linken Lager aus SPD, KPD und KPO gegenüberstand, die ihrerseits später – erst im Juli 1934 – gemeinsam die Einheitsfront bildeten.
Nach der Saarabstimmung am 13. Januar 1935, bei der sich fast 91% der Bevölkerung des Saargebietes für einen Anschluss an das Deutsche Reich ausgesprochen hatten, wurde die NSDAP im Saargebiet am 20. März 1935 wiedergegründet und -aufgebaut. Zunächst erfolgte die Bildung von acht Parteikreisen und 83 Ortsgruppen in Anlehnung an die Kreiseinteilung und Verwaltungsbezirke des Saargebietes. Dabei betonte die Partei den provisorischen Charakter dieser Maßnahmen. Die eigentlich zu dieser Zeit bestehende Mitgliedersperre der NSDAP wurde für das Saargebiet am 16. März 1935 durch ein Schreiben der Reichsleitung der NSDAP an Gauleiter Josef Bürckel teilweise außer Kraft gesetzt. Die Aufnahme der saarländischen Volksgenossen sollte etappenweise erfolgen. Zunächst wurden ehemalige Parteimitglieder, die vor dem 30. Januar 1933 der NSDAP angehörten und eine Mitgliedskarte besaßen, aufgenomen.
In einem zweiten Schritt sollten diejenigen Mitglieder werden können, die einen Antrag auf Aufnahme in die Partei vor dem 1. März 1934 gestellt hatten. Für diese Gruppe waren die Mitgliedsnummern 2.680.001 bis 2.700.000 reserviert worden und das von der ehemaligen Landesleitung Saar festgesetzte Aufnahmedatum anzuerkennen. Schließlich wurde ehemaligen Führern der DF, die vorher kein NSDAP-Mitglied waren und auch keinen Aufnahmeantrag gestellt hatten, die Option geboten, in die Partei einzutreten. Hinzu kam noch eine weitere Ausnahme für einen vierten Personenkreis. Und zwar kamen Personen in Frage, die weder der Partei noch der Deutschen Front angehörten haben, von denen aber eine erspriessliche [!sic] Tätigkeit in der Partei erwartet werden durfte.
Neueste, auf statistischen Erhebungen basierende Untersuchungen zur Mitgliederstruktur der NSDAP im Saargebiet zeigen, dass der Partei dort bei Kriegsende wesentlich mehr jüngere Menschen angehörten und ihr mehr Arbeitslose und Arbeiter beigetreten waren als im Altreich. Auch der Anteil der Frauen im Saargebiet war niedriger. Die meisten Eintritte im Saargebiet in die Partei erfolgten nach der Rückgliederung.