Im deutschen Herrschaftsbereich wurden während des Zweiten Weltkrieges circa 200 sogenannte Arbeitserziehungslager (AEL) und kommunale bzw. betriebliche Erziehungslager im Reich und in den besetzten Gebieten durch die Gestapo eingerichtet. In diesen seit 1940 eingerichteten Lagern wurden „mehrere hundert Tausend Menschen“ während diesem Zeitraum inhaftiert. Die AEL dienten dazu, als arbeitswidrig eingestufte deutsche und ausländische Belegschaftsmitglieder in ihrem Widerstand zu brechen, einzuschüchtern, sie zu disziplinieren und zu einer besseren Arbeitsmoral zu „erziehen“.

Als Missstand erwies sich für die industriellen Unternehmen, dass die in ein AEL eingewiesenen Personen dem Betrieb als Arbeitskräfte verloren gingen. Diese hatten daher ein großes Interesse an der Einrichtung solcher Lager. Die jüngere Forschung zu den AEL geht davon aus, dass etwa 70% aller staatspolizeilichen Verhaftungen wegen Verstößen gegen die Arbeitsdisziplin erfolgten und insgesamt fast jeder zwanzigste Zwangsarbeiter eine Erziehungshaft verbüßte.

Eine neue Option vor allem für die Industrie bot sich ab Mitte Dezember 1942. Mit einem Erlass des Reichsführers SS und Chef der Deutschen Polizei (RFSSuChdDtP) vom 15. Dezember 1942 über die Bekämpfung des Arbeitsvertragsbruchs ausländischer Arbeitskräfte wurde bei größeren Werken mit zahlreichen ausländischen Arbeitskräften, in deren Nähe kein Arbeitserziehungslager gelegen war die Möglichkeit geboten, unter Umständen versuchsweise […] Erziehungsabteilungen einzurichten, in denen ausländische Arbeitskräfte wegen nicht allzu schwerer Bummelei – wie in Arbeitserziehungslagern – unter Bewachung zur Arbeit angehalten werden [sollten]. Über die Einweisung in diese Erziehungsabteilungen würde die Staatspolizei(leit)stelle entscheiden, deren Weisungen auch die vom Werkschutz zu stellenden Bewachungskräfte unterliegen. Für abgesonderte Unterbringung und die Arbeitszuteilung hätte hierbei im Einvernehmen mit der Staatspolizei(leit)stelle der Betrieb zu sorgen.

Somit war eine Grundlage geschaff en, wodurch die Gestapo gemeinsam mit den RESW im Köllerbacher Ortsteil Etzenhofen eines von zwei solcher betriebseigenen Lager im heutigen Saarland einrichten konnten. Neben Etzenhofen, das die Anklagebehörde im Rastatter Prozess als „persönliches“ Konzentrationslager der Röchlingwerke bezeichnete, ist nur mit einem AEL der Saargruben am Standort der Grube Mellin (Sulzbach) ein weiteres Lager zur Disziplinierung ausländischer Arbeiter belegt. Etwa zeitgleich mit der Einrichtung des AEL in Etzenhofen hatte die Gestapo Saarbrücken die Nutzung eines ehemaligen Kriegsgefangenenlagers an der Neuen Bremm als erweitertes Polizeigefängnis in Angriff genommen, sodass davon ausgegangen werden kann, dass spätestens seit Ende 1942 Überlegungen bei der Staatspolizeistelle hinsichtlich der Ergreifung von Maßnahmen zur Disziplinierung angestellt wurden.

Das Lager Etzenhofen bis zur Einrichtung als betriebseigenes Straflager

Eine Zuweisung ausländischer Arbeitskräfte durch das zuständige Arbeitsamt war an die Voraussetzung geknüpft, entsprechende Unterkünfte für die angeforderten Arbeiter zur Verfügung zu stellen. Die RESW forderten im Laufe des Jahres 1942 fortgesetzt neue ausländische Arbeiter als Ersatz für zum Heer einberufene Stammarbeiter. Von Mitte 1942 bis Mitte 1943 stieg der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte bei den RESW vor allem durch das massenhafte „Hereinholen“ von Ostarbeiterinnen und Ostarbeitern seit März 1942 sprunghaft an. Waren Ende Juni 1942 rund 2.900 Fremdarbeiter – davon über 1.000 Arbeiter aus den altsowjetischen Gebieten – auf der Hütte im Einsatz, hatte sich die Zahl zum Jahresende auf knapp 4.650 erhöht, um bis Ende Juni 1943 auf etwa 5.450 weiter anzuwachsen. In diesem Zeitraum war der Ausländeranteil an der Gesamtbelegschaft von etwa 25% auf 37,5% angestiegen.

Für den Monat August berichtete das Unternehmen der Saarbrücker Handelskammer über die Arbeitseinsatzlage, dass der Arbeitskräftebedarf im grossen und ganzen gedeckt werden konnte. Allerdings waren weiterhin Engpässe vorhanden, die aber nicht behoben werden konnten, da die Quartierfrage noch nicht gelöst war. Das im Auf- bzw. Ausbau befindliche große Barackenlager Am Schulzenfeld war im Spätherbst des Jahres 1942 erst in Teilen fertiggestellt, sodass weiterhin nach anderen (Ausweich-)Quartieren gesucht werden musste. In den Folgemonaten hatte das Werk an der Saar einen Arbeiterbedarf von rund 200 bis 300 Mann. Um diesen abzudecken, war für die gesamte Hütte ein Bedarf an 400 französischen Arbeitern und 500 Russen angemeldet worden. Im Dezember 1942 standen ein 200 Personen starker Ostarbeitertransport und das Eintreff en von 200 französischen Facharbeitern kurz bevor. Bereits angekommen waren zu diesem Zeitpunkt 240 französische und belgische Arbeiter, 120 Russen und 205 Polen. Durch eine gezielte Werbe-Aktion in Frankreich sollten weitere Arbeiter nach Völklingen „hereingeholt“ werden.

In diesem Kontext der Arbeiteranwerbung und Unterkunftsbereitstellung wurde das Unternehmen durch das Saarbrücker Arbeitsamt und im Einvernehmen mit der Wehrmachtsstandortvermittlung Saarbrücken auf ein in Etzenhofen fast leerstehendes OT-Lager aufmerksam gemacht, da dort Möglichkeiten bestanden, circa 200 ausländische Arbeiter einzuquartieren. Ausschlaggebend für das Interesse war zudem, dass das Lager durch seine Lage direkt am Bahnhof Etzenhofen infrastrukturell günstig gelegen war und sich in gutem Zustand befand. Zeitgleich richtete die Firma ihr Augenmerk auch auf einen in Bous gelegenen Saal Gabriel. Letzterer wurde kurze Zeit später jedoch den dort ansässigen Mannesmann-Röhrenwerken zugeteilt.

Die Bemühungen um das Lager Etzenhofen waren somit nicht primär auf die Errichtung eines Lagers zur Disziplinierung ausländischer Arbeiter ausgerichtet. Die Absicht, dort ein Arbeitserziehungslager zu installieren, wurde Mitte Dezember des Jahres 1942 noch nicht gehegt, was vor dem Hintergrund des noch nicht ergangenen Himmler-Erlasses vom 15. Dezember 1942 auch nicht möglich gewesen wäre.

Auf einer Direktoriumssitzung am 21. Dezember 1942 unterrichtete Direktor Dr. Wilhelm Rodenhauser die übrigen anwesenden Direktionsmitglieder darüber, dass ein Antrag zur Anmietung des Lagers Etzenhofen, das zu diesem Zeitpunkt 200 Menschen Platz bot, bei den entsprechenden Ämtern gestellt worden war. Tatsächlich hatte die Abteilung Technisches Büro, die seit Anfang 1942 für die Bereitstellung von Unterkünften zuständig war, am 12. Dezember eine Anfrage an die Zentrale der Organisation Todt in Berlin gerichtet und um Überlassung des Lagers angefragt. Wieso richteten die RESW ein Schreiben an die Organisation Todt? Gehörte dieser das Lager in Etzenhofen? Die bisherige Etzenhofen-Forschung bezieht ihre Informationen über den eigentlichen Träger des Lagers lediglich aus den in Auszügen publizierten Dokumenten zum Rastatter Röchling-Prozess.

Die Zeugenaussagen des Rastatter Prozesses und andere Quellen sind sich bezüglich des ursprünglichen Bauträgers des Lagers Etzenhofen jedoch uneinig. Die RESW-Dokumente sprechen stellenweise von einem Lager des Reichsarbeitsdienstes (RAD) und einem Reichsautobahnenlager. Folgt man der Aussage des Etzenhofer Bahnhofvorstehers Alois Grün, dann war das AEL ursprünglich ein Lager der Reichsautobahngesellschaft, das 1942 durch diese angelegt worden war, wurde 1943 an die RESW vermietet und relativ zeitnah durch das Völklinger Unternehmen zu einem Straflager umgewandelt. Verschiedene Etzenhofer Anwohner schilderten, dass es sich um ein Lager der OT gehandelt habe.

Bisher lässt sich für Etzenhofen kein RAD-Lager nachweisen. Allerdings ist 1942 in einem Fernsprechverzeichnis der Reichspostdirektion Saarbrücken ein Verfügungslager Etzenhofen der Obersten Bauleitung Kassel der Reichsautobahnen belegt, was der Aussage des Bahnhofvorstehers Grün eine gewisse Glaubwürdigkeit zukommen lässt. Ferner kann aber auch ein Eisennachschublager der OT in Etzenhofen identifiziert werden, womit einigen Prozess-Zeugen im Rastatter Verfahren gegen Röchling und Co. ebenfalls geglaubt werden kann. Doch was ist nun richtig? Die Chronologie des Lagers kann mittels einer im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden überlieferten Akte der Obersten Bauleitung der Reichsautobahnen Frankfurt/Main (OBR Frankfurt/M.) rekonstruiert werden. Demnach gestaltetensich die Anfänge des Lagers Etzenhofen wie folgt:

Am 8. April 1942 erreichte die OBR Frankfurt/M. ein Erlass des Generalinspektors für das deutsche Straßenwesen – Reichsautobahndirektion, worin sie aufgefordert wurde, zur Errichtung von Verfügungslagern [der Abteilung Landesverteidigung] (Stahllagern) in Etzenhofen bei Saarbrücken und Ückingen bei Diedenhofen durch die OBR Kassel zwei Lager der Reichsautobahnen (RAB) für Wohn- und Lagerzwecke zu überlassen. Aus diesem Grund sollten das RAB-Lager St. Ingbert mit der gesamten Einrichtung für das Stahllager in Etzenhofen und für das Lager in Ückingen (Uckange) drei Mannschaftsbaracken ohne Einrichtung sowie eine Abortbaracke des RAB-Lagers Rohrbach zur Verfügung gestellt werden. Die Baracken sollten durch die OBR Kassel nach der Abgabe an den neuen Standorten bewirtschaftet und nach Ablauf der Benutzungszeit wieder in St. Ingbert und Rohrbach aufgestellt werden.

Am 21. April 1942 erfolgte die förmliche Übergabe der beiden Lager nebst Einrichtung zwischen den beiden OBR. Dabei wurden aus dem Lager St. Ingbert drei Mannschaftsbaracken (je 30,07 m x 8,20 m), eine Wirtschaftsbaracke (36,32 m x 8,20 m), eine Waschbaracke (13,82 m x 8,20 m) und eine Abortbaracke (7,57 m x 5,70 m) der OBR Kassel überlassen. Unter den Einrichtungsgegenständen befanden sich unter anderem 216 hölzerne Mannschaftsbetten.

Aus dem Lager Rohrbach übergab die OBR Frankfurt/M. der Kasseler Bauleitung drei Mannschaft sbaracken (je 33,75 m x 8,75 m) und eine Abortbaracke (6,74 m x 5,64 m).

Der Abbruch der Baracken in St. Ingbert und Rohrbach sowie deren Aufb au in Etzenhofen (und Ückingen), der durch die OBR Kassel ausgeführt werden sollte, erfolgte sehr wahrscheinlich im Mai 1942. Bis in den September hinein betrieb die OBR Kassel das Verfügungslager in Etzenhofen, ehe sie es am 20. oder 30. September oder zum 1. Oktober 1942 aufgrund einer Verfügung des Generalinspektors für das deutsche Straßenwesen an die OT abgeben musste, allerdings ohne die OBR Frankfurt/M. darüber in Kenntnis zu setzen. Mitte Januar 1943 lagerten noch knapp 3.000 Tonnen Eisen in Etzenhofen, die aufgrund mangelender Arbeitskräfte nur langsam abtransportiert werden konnten. Ende Januar 1943 bestand das Lager Etzenhofen (früher Rohrbach) aus einer Wirtschaftsbaracke, zwei Mannschaftsbaracken sowie je einer Wasch- und Abortbaracke.

Diese der OBR Frankfurt/M. seitens der OBR Kassel nicht mitgeteilte Weitervermietung der Baracken samt Einrichtungen an die OT führte in Frankfurt zu Irritationen, da die OT behauptete, aufgrund einer Verfügung des Generalinspektors über das Lager verfügungsberechtigt zu sein. Als sich abzeichnete, dass das Lager durch die OT nicht mehr benötigt wurde, wollte die Berliner Zentrale die Baracken anderweitig verwenden. Die OBR Frankfurt/M. legte aber Wert darauf, dass es sich um ein RAB-eigenes Lager handelte. Durch die Bauabteilung Saarbrücken wurde der Vorschlag unterbreitet, die Baracken der Industrie im Bezirk 4 zur Verfügung zu stellen. Der Dezernent IIC der OBR Frankfurt/M. forderte eine Überlassung der Unterkünfte an den Baubevollmächtigten für den Rüstungsinspektionsbezirk XII und begründete diese damit, dass im Bezirk Saarbrücken-Völklingen sehr großer Bedarf an Baracken zur Unterbringung fremdländischer Rü-Arbeiter vorhanden war. Die OT wurde daher aufgefordert, das Lager bis Ende Januar 1943 zurückzugeben, um es Zug um Zug an die Röchling’schen Eisen- und Stahlwerke zur Unterbringung von ausländischen Arbeitern übergeben zu können.

Um den Druck auf die involvierten Dienststellen zu erhöhen, schalteten die RESW, die weiterhin die Absicht hegten, dort ausländische Arbeiter unterzubringen, um die Jahreswende 1942/1943 den Saarbrücker Landrat und die Kreisleitung der NSDAP ein, die beide das Anliegen der RESW befürworteten. Eine Zuweisung des Lagers war schließlich für den 29. Januar 1943 in Aussicht gestellt worden. Dabei wurde die Frage, ob die Baracken mietweise oder käuflich überlassen werden sollten, noch nicht geklärt. Diese dürfte erst im November 1943 geregelt worden sein. Dabei gingen die Baracken für 7.510 Reichsmark an das Hüttenunternehmen.

Die Übernahme der Baracken konnte jedoch zu dem avisierten Termin nicht durchgeführt werden, da in der Nacht vom 28. auf den 29. Januar 1943 gegen 5.00 Uhr morgens ein Brand im Lager Etzenhofen ausbrach. Dabei wurden die vorhandene Wirtschaftsbaracke samt Einrichtung völlig und zwei Drittel einer Mannschaftsbaracke zerstört, sodass beide letztlich unbrauchbar waren. Als Brandursache hatte die Kriminalpolizei die Überhitzung eines Ofens festgestellt, der durch Unachtsamkeit des Wachpersonals entstanden war. Durch das Feuer waren die Unterbringungsmöglichkeiten von 200 auf 120 gesunken. Dennoch gingen die Verantwortlichen auf der Hütte davon aus, dass die offizielle Übernahme binnen Wochenfrist über die Bühne gehen würde. Am 8. Februar 1943, der nun als Übergabetermin festgelegt worden war, wurde auf Verlangen von Rodenhauser durch Karl Goslar und einem Mitarbeiter aus der Revisionsabteilung das Inventar der Baracken des R.A.D. [!sic] aufgenommen. Zwischenzeitlich wurde außerdem festgestellt, dass die Bettenkapazitäten sich sogar auf 80 verringert hatten. Die Übergabe der Baracken erfolgte wohl tatsächlich am 8. Februar 1943. Allerdings versagte das OT-Nachschublager Etzenhofen der Firma Röchling stets die Unterbringung ihrer zugewiesenen Arbeiter, obwohl das Lager ein RAB-eigenes Lager war – die Gründe waren der OBR Frankfurt/M. unerklärlich bzw. fadenscheinig, da man von OT-Seite erst eine Rücknahme des Lagers durch den Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen – Reichsautobahndirektion einforderte. Wegen der nicht geklärten Zuständigkeiten beabsichtigten die RESW beim Reichsministerium für Bewaffnung und Munition vorstellig zu werden. Nachdem die OT um den 10. April 1943 mit einer Abgabe der Baracken an die Rüstungs-Firma Röchling endlich einverstanden war, konnte am 14. April 1943 das Lager den RESW für die Unterbringung ausländischer Arbeiter übergeben werden, so zumindest die Ansicht der OBR Frankfurt/M.1361 Zu diesem Zeitpunkt wurde allerdings bereits ein anderer Nutzungszweck für das Lager Etzenhofen ins Auge gefasst. Interessanterweise haben weder die Staatsanwaltschaft noch die Verteidigung im Röchling-Prozess diese geplante Nutzung des Lagers Etzenhofen als Unterbringungsmöglichkeit erkannt.

Einrichtung eines AEL bei den RESW

Etwa zeitgleich mit den schwebenden Verhandlungen seitens der RESW zur Überlassung des Lagers in Etzenhofen für Unterkunft szwecke lassen sich Bestrebungen der Gestapo Saarbrücken feststellen, die auf die Einrichtung eines Arbeitserziehungslagers bzw. einer -abteilung nach Maßgabe des Himmler-Erlasses vom 15. Dezember 1942 an einem nicht näher spezifizierten Ort hindeuten.

In einem Verhör aus dem Jahr 1946 sagte Albrecht Serf – als Oberwachleiter ein ehemaliges höheres Mitglied des Werkschutzes der RESW – gegenüber den französischen Ermittlungsbehörden aus, dass er Ende 1942, Anfang 1943 ein von Kriminalkommissar Franz Biereth (von 1941 bis 1943 Leiter der Abteilung II und ab 1943 Leiter der Abteilung IV der Gestapo-Stelle Saarbrücken) unterzeichnetes Schreiben gesehen habe, in dem dieser die Werksleitung zu einer Stellungnahme bezüglich der Gründung eines Konzentrationslagers für widerspenstige Fremdarbeiter aufforderte. Die seiner Ansicht nach offenkundig nicht abgeneigte Direktion leitete dieses Schreiben sowohl an den Werkschutzleiter Rasner als auch an den Abwehrbeauftragten des Unternehmens, Major Karl Förger, weiter, die beide positive Stellungnahmen bezüglich dieses Vorhabens abgegeben haben sollen. Das Lager soll daraufh in umgehend eingerichtet worden sein.

Serfs Aussage gewinnt einiges an Glaubwürdigkeit, da ein Schreiben der Gestapo Saarbrücken überliefert ist, das genau einen solchen Vorgang, die Planung einer betrieblichen Arbeitserziehungsabteilung, beschreibt. Allerdings wurde das Schriftstück nicht von Biereth, sondern von dem Saarbrücker Gestapoleiter Johannes Theodor Rentsch unterschrieben und war an von Gemmingen-Hornberg in dessen Funktion als Betriebsführer adressiert. Darin teilte Rentsch am 9. Januar 1943 zunächst mit, dass aufgrund eines Erlasses des Reichssicherheitshauptamtes (vom 4. Dezember 1942) kürzere Schutzhaftstrafen gegen Jugendliche nur noch in der Reichsjustizverwaltung unterstehenden Jugendarrestanstalten zu vollziehen wären.1365 In diesem Zusammenhang war ein im Oktober 1942 in Völklingen eingerichtetes vorläufiges Jugenderziehungslager aufzulösen. Nach Rücksprache mit Werkschutzleiter Rasner sollte das Lager mit dem 5. Februar 1943, dem Zeitpunkt des Haftendes des letzten dort einsitzenden Jugendlichen, geschlossen werden. Rentsch verlangte nun von von Gemmingen-Hornberg, nach Ende des Provisoriums über die frei werdenden Baracken vorerst nicht anders zu verfügen. Als Begründung führte der Saarbrücker Gestapoleiter Folgendes an:

Die Zahl der Arbeitsvertragsbrüchigen und das Ausmaß der Bummelei, namentlich unter den ausländischen Arbeitskräften, hat in letzter Zeit derartigen Umfang angenommen [!sic], daß das RSHA sich veranlaßt gesehen hat, zur Entlastung der Dienststellen der Geheimen Staatspolizei einerseits, andererseits aber auch im Interesse einer sofortigen und wirksamen Bekämpfung dieser Erscheinungen neue Maßnahmen durchzuführen. Hierbei ist u. a. vorgesehen, daß größere Betriebe in ihrem Werk für ihre Gefolgschaftsangehörigen Arbeitserziehungslager in der Form von sogenannten Strafabteilungen errichten können. Dadurch wäre der Betrieb bei Einweisung eines Arbeiters in eine solche Strafabteilung nicht, wie es bei der Einweisung in ein Arbeitserziehungslager der Fall war, gezwungen, auf diese Arbeitskraft während der Dauer der Erziehungshaft zu verzichten. Andererseits würde auch die Dauer der Haft um einige Zeit verkürzt werden können, da der oft sehr langwierige Weg über den Sammeltransport zum nächsten Arbeitserziehungslager fortfällt und die Erziehungsmaßnahmen sofort nach ihrer Verhängung begonnen werden können. Vorgesehen ist, daß die Einweisung in die Strafabteilung durch eine Dienststelle der Geheimen Staatspolizei ausgesprochen wird und daß ferner die mit der Bewachung der in der Strafabteilung eingewiesenen Arbeitskräfte beauft ragten Angehörigen des Werkschutzes – da es sich ja immer noch um eine sicherheitspolizeiliche Maßnahme handelt – verpflichtet sind, Weisungen der Geheimen Staatspolizei entgegenzunehmen.

Rentsch forderte abschließend den Betriebsführer der Völklinger Hütte auf, mitzuteilen, ob dieser mit der Errichtung einer solchen Strafabteilung für das Röchling’sche Werk einverstanden wäre. Der Abwehrbeauftragte des Unternehmens, Karl Förger, hatte bereits auf einer Besprechung mit Rentsch Andeutungen über eine mangelnde Arbeitsdisziplin der deutschen Arbeiter gemacht. Beide waren zu der Ansicht gelangt, dass möglichst schnell und durchgreifende Maßnahmen gegen diese Erscheinungen ergriffen werden sollten. Zu diesem Zeitpunkt sollten nach Rentschs Auffassung Einweisungen von geringfügigeren Fällen in diese Strafabteilungen erfolgen. Allerdings waren über die Regelungen noch keine Entscheidungen getroffen worden und sollten Einzelbesprechungen vorbehalten bleiben.

Folgt man den Tätigkeitsberichten des Werkschutzes so hatten sich zwischen 1941 und 1942 die Anzeigen von Verstößen gegen die Arbeitsdisziplin nicht wesentlich erhöht. Meldete die Abteilung in ihrem Bericht für das Jahr 1941, dass von den insgesamt 2.423 eingegangenen Meldungen 466 Fälle sich auf Schlafen und Bummeln, zu früh Schicht machen oder unerlaubtes Entfernen von der Arbeitsstelle bezogen (rund 16,75%), wurden 1942 1.041 solcher Vergehen beim Werkschutz registriert, was einem Prozentsatz von etwa 19,71% entsprach. Nicht alle gemeldeten Fälle führten auch zu Nachforschungen seitens der Ermittlungsabteilung des Werkschutzes. Dennoch stellten Verwarnungen und Belehrungen wegen Bummeln [!sic] sowohl bei der deutschen (438 Fälle) als auch bei der ausländischen Gefolgschaft (210 Fälle) mit jeweils rund 20% einen der häufigsten Untersuchungsgegenstände der Ermittlungsabteilung des Werkschutzes im Jahr 1942 dar. Bei dem ausländischen Teil der Belegschaft wurde der Vorwurf absichtlich zu langsam zu arbeiten nur von 582 Ermittlungen wegen Nicht-Rückkehr aus dem Urlaub übertroffen. Diese beiden Tatbestände machten alleine über die Hälfte der angestellten Untersuchungen aus. Während deutsche Arbeiter wegen Bummelns beim Reichstreuhänder angezeigt bzw. in ein Arbeitslager respektive in das Erziehungslager Niederganingen überführt und zum Teil staatspolizeilich verwarnt wurden, kam die ausländische Gefolgschaft in (Schutz-)Haft.

Besprechungen über die Arbeitsdisziplin im Betrieb zeigen, dass die Unternehmensführung sich Mitte Dezember 1942 des Themas angenommen hatte. Die Afa vertrat etwa zeitgleich die Ansicht, dass dem Werkschutz Bummelanten und unpünktliche Ausländer Innen [!sic; lies: Ihnen = Werkschutz] zu melden wären und von dort aus Zwangsmaßnahmen ergriffen werden sollten.

Das Gestapo-Schriftstück wurde durch die Völklinger Betriebsleitung ohne jeglichen Kommentar dem militärischen und politischen Abwehrbeauft ragten Förger vorgelegt. Dieser sprach sich positiv gegenüber der Einrichtung einer Strafabteilung für deutsche Arbeiter aus. Gleichzeitig vermerkte er, dass eine Strafabteilung für ausländische Arbeiter (außer Italiener) unabhängig von der für deutsche Staatsangehörige einzurichten sei. Förgers Ansicht nach sollten die Einweisungen in dieses Lager durch den Werkschutz bzw. die Geheime Staatspolizei erfolgen.

In der Folge kam es zu weiteren Abstimmungen zwischen der Gestapo einerseits und den RESW oder deren Abwehrbeauftragten und eventuell dem Werkschutzleiter andererseits. Im Nachlass des ehemaligen Völklinger Bürgermeisters und Landtagsabgeordneten, Ernst Kunkel, findet sich das Fragment eines Entwurfs eines undatierten Schreibens der Saarbrücker Gestapo an den Abwehrbeauftragten der RESW. Demnach stimmte die Leitung der Gestapo dem von dort, d. h. den RESW oder des Abwehrbeauftragten, vorgebrachten Antrag auf Errichtung einer Arbeitserziehungsabteilung für arbeitsvertragsbrüchige ausländische Arbeiter zu. Als Gründe für die Einrichtung des Lagers wurden vorgebracht, dass a) eine schnellere und damit in mancherlei Hinsicht wirksamere Bekämpfung des Arbeitsvertragsbruchs ausländischer Arbeitskräfte erzielt [werden] und b) vermieden werden [sollte], dass den Röchling’schen Eisen- und Stahlwerken dringend benötigte Arbeitskräfte für längere oder kürzere Zeit verloren gingen. Der Anstoß zur Bildung einer Strafabteilung – zunächst eigentlich für deutsche Arbeiter – ging somit von der Gestapo Saarbrücken aus. Werkseitig, und hier war der Abwehrbeauftragte offensichtlich maßgebend, wurde die Initiative für die Schaffung eines Lagers zur Disziplinierung ausländischer Arbeiter gegeben.

Die beiden Parteien verständigten sich auf Richtlinien, von denen nur die erste teilweise überliefert ist. Demnach sollte das Lager aus Mitteln der RESW eingerichtet und unterhalten werden. Bei der Arbeitserziehungsabteilung handelte es sich um eine staatspolizeiliche Einrichtung. Das AEL unterstand also der Gestapo Saarbrücken. Die Leitung sollte durch den Gestapoleiter dem politisch-polizeilichen Abwehrbeauftragten, Major Förger, in die Hände gelegt werden. Mit einem Passus bezüglich des Einweisungsrechts, das vermutlich gemäß Erlass vom 15. Dezember 1942 ausschliesslich der Gestapo zugestanden werden sollte, bricht das Dokument leider ab. Eine Umsetzung dieser Grundsätze dürfte nicht eins zu eins vorgenommen worden sein, da sich in der Folgezeit beispielsweise keine Anhaltspunkte dafür finden, dass Förger dieser Abteilung vorstand. Es scheint eher so, als habe die Gestapo den Völklinger Werkschutzleiter Rasner mit der Leitung des Lagers in Etzenhofen beauftragt.

Zur Unterbringung des Lagers in den im Schreiben vom 9. Januar 1943 genannten Baracken des in Völklingen zu lokalisierenden Jugenderziehungslagers kam es indes nicht. Auch Anfang Februar und Mitte März 1943 war Etzenhofen trotz der sich kurz zuvor ereigneten teilweisen Zerstörung des Lagers noch nicht als Ort für das Erziehungslager im Gespräch. Zum einen war das Lager noch nicht ordentlich übergeben worden, zum anderen beabsichtigte das Unternehmen weiterhin, dort ausländische Arbeiter unterzubringen.

Die Überlegungen der Saarbrücker Gestapo gingen Mitte März 1943 dahin, das sogenannte Dänenlager am Leh durch Beschlagnahmung als Strafgefangenenlager zu benutzen, das seinerseits noch wenige Tage zuvor seitens des Direktoriums als Auffanglager in Vorschlag gebracht worden war. Offenbar spielte man zu diesem Zeitpunkt bei Röchling aber bereits mit dem Gedanken, Etzenhofen als Standort für ein Disziplinierungslager einzurichten, da in dieser Angelegenheit von Differenzen mit der Gestapo die Rede war. Diese Meinungsverschiedenheiten sollten in einem am 23. März stattfindenden Gespräch zwischen den beiden Betriebsführern und dem Werkschutzleiter, als Mittelsmann der Gestapo, aus dem Weg geräumt werden. Offenkundig fand die Beilegung des Disputs dahingehend statt, dass das in seiner Aufnahmekapazität stark eingeschränkte Lager Etzenhofen als Alternative akzeptiert wurde. Vielleicht wollte die Unternehmensführung das Lager nicht auf dem Firmengelände oder in der Stadt Völklingen selbst ansiedeln.

Erstmals war in der Direktoriumssitzung vom 29. März 1943 die Rede davon, die wegen Bummelns durch die Gestapo zu bestrafenden ausländischen Arbeiter […] nach Einrichtung des Lagers Etzenhofen dort unterzubringen. Dem Wortlaut des Protokolls folgend, war das Lager also zu diesem Zeitpunkt noch nicht bezugsreif. Auch nachdem am 14. April das Lager endgültig den RESW übergeben worden war, war man noch dabei, dieses für die Strafkolonnen aufzubauen. Dafür spricht, dass das am 12. April 1943 eingerichtete Schnellgericht, das ausländische Arbeiter nach Etzenhofen einweisen konnte, vermutlich erst zwischen dem 19. April und dem 11. Mai erstmals tagte. Auf der Sitzung des Direktoriums vom 11. Mai 1943 wurde nämlich in der Niederschrift festgehalten, dass die erste Sitzung des Schnellgerichts […] alle Beteiligten durchaus befriedigt [hatte] und eine weitere Sitzung in den nächsten Tagen angesetzt war.

Die Eröffnung eines Rücklagenkontos (Nr. 68/66029) für das Straflager am 23. April 1943 durch die Buchhaltung der Völklinger Hütte lässt vermuten, dass ab diesem Zeitpunkt das Lager nutzbar war.

Ein durch den Völklinger Werkschutzleiter am 30. April 1943 an die Betriebsleitungen in Altenwald, Kleinblittersdorf mit Auersmacher und Wittringen, Überherrn mit Berus sowie Dillingen gerichtetes Rundschreiben deutet ebenfalls auf eine Inbetriebnahme des Straflagers in der zweiten April-Hälfte 1943 hin. Darin teilte Rasner diesen mit, dass für die ausländischen Arbeiter […] im Einvernehmen mit der Staatspolizeistelle-Saarbrücken ein Betriebsstraflager in Etzenhofen eingerichtet worden war, in dem alle Bummelanten und Arbeitsverweigerer bis zu 3 [!sic] Wochen eingewiesen werden konnten.

Werkschutzleiter Rasner gibt den außerhalb von Völklingen gelegenen Betrieben die Einrichtung des AEL in Etzenhofen bekannt.

Werkschutzleiter Rasner gibt den außerhalb von Völklingen gelegenen Betrieben die Einrichtung des AEL in Etzenhofen bekannt.

Gegen diese Vermutung spricht, dass das in den Prozessunterlagen in den Archives Nationales in Paris überlieferte sogenannte Strafbuch des Werkschutzes bereits für die Zeit seit dem 1. April 1943 Vermerke wie Straflager bzw. E[rziehungs] L[ager] eingewiesen beinhaltet. Allerdings sind die Personen, bei denen solche Einträge im Bemerkungsfeld eingetragen sind, nicht in der 1946 vom Lohnbüro der Hütte an das Völklinger Bürgermeisteramt übermittelten Aufstellung für April 1943 der in Etzenhofen Inhaftierten enthalten. Es handelt sich dabei um Albert Urzeel, Jean Alain, eine nicht namentlich genannte Person, René Fribol und Achilles Dupont. Erst mit dem am 20. April 1943 in das Erziehungslager eingewiesenen Jacques Verrander/Vernandey, der nicht bei den RESW beschäftigt war, ist eine Übereinstimmung beider Quellen vorhanden. Von den insgesamt 25 Einträgen der Aufstellung aus der Nachkriegszeit können lediglich vier durch das Strafbuch bestätigt werden.

Vielleicht gab es bereits einen kurzlebigen Vorläufer eines Straflagers in Völklingen – sollte doch das Dänenlager diese Funktion gehabt haben? Im Kreuzverhör des Zeugen Emile Marmaille, der Anfang 1943 zur Hütte gekommen war, gab dieser an, sich im März 1943 in einem Lager in Völklingen befunden zu haben, das als Vorläufer von Etzenhofen anzusehen sei. Robert Cardier befand sich laut einer Karteikarte, einer eventuell vom Werkschutz geführten Strafkartei, vom 28.3. bis 1.4.43 wegen Bummelei [im] A[rbeits]E[rziehungs]L[ager] Etzenhofen. Der Albaner Murat Paljevie, der eventuell mit der oben genannten unbekannten Person gleichzusetzen ist, befand sich vom 27.3. bis 9.4.43 [im] Straflager Etzenhofen wegen Bummelei. Der Werkschutzangestellte Jakob Beck sagte aus, im März 1943 Lagerführer in Etzenhofen gewesen zu sein. Der Leiter des Kraftwerks in Wehrden übergab der Afa am 14. Mai 1943 fünf Entlassungsscheine von Zivilfranzosen, die wegen Arbeitsverweigerung dem Erziehungslager am 12.4.1943 überwiesen wurden und sich [zu diesem Zeitpunkt] noch dort oder im Konzentrationslager befanden. Ob diese Häftlinge in Etzenhofen saßen, wird nicht klar gesagt. Weder das zeitgenössische sogenannte Strafbuch noch die aus der Nachkriegszeit stammende Nachweisung der in Etzenhofen internierten Ausländer geben Anhaltspunkte auf Einweisungen bzw. Häftlinge des Betriebes 99 in Etzenhofen.

In das Lager Etzenhofen wurden nicht nur Arbeiter, darunter Jugendliche im Alter von siebzehn Jahren, der in Völklingen angesiedelten Betriebsabteilungen der Hütte eingewiesen. Ebenso konnten die Nebenbetriebe zum Beispiel in Überherrn, Felsberg, Dillingen oder Kleinblittersdorf und für die RESW tätige Firmen ihre Arbeiter in das Lager Etzenhofen zu Disziplinierungsmaßnahmen einweisen lassen. Auch auf der Carlshütte in Diedenhofen (Thionville), deren Werkschutz Rasner bis in den August 1943 unterstellt war, wurden Schnellgerichtsverhandlungen durchgeführt. Eine erste Gerichtssitzung gegen ausländische Arbeitsbummelanten wurde am 16. Juni 1943 unter Vorsitz des SS-Obersturmführers Philipp Mehl von der Sicherheitspolizei in Metz abgehalten. Die durch das Gericht verurteilten ausländischen Arbeiter kamen ebenfalls nach Etzenhofen. Bei der ersten Sitzung wurden vier Ausländer zur Erziehungshaft verurteilt.

Den ausländischen Arbeitern, zumindest den französischen oder französischsprachigen, wurde bei Verstößen eindeutig die betriebliche Option der Einweisung in ein AEL oder die Verhaftung durch die Gestapo vor Augen gehalten. Ob diese aber die Tragweite verstanden, ist durchaus fraglich. In einer am 1. Oktober 1943 aufgestellten zweisprachigen Druckschrift Regelung des Arbeitsverhältnisses für ausländische Arbeitskräfte / Réglementation des conditions de travail pour la main-d’oeuvre étrangère wurde im Abschnitt XI die Arbeitsdisziplin geregelt. Neben Geldbußen von drei und fünf Reichsmark oder in Höhe eines Tagesverdiensts drohte bei wiederholtem Fehlen ohne Entschuldigung […] auf Antrag des Betriebes dem betreffenden Arbeiter durch ein Gericht oder die Geheime Staatspolizei wegen Arbeitsvertragsbruch die Einlieferung in ein Zwangserziehungslager (camp de rééducation). In einem viersprachigen Merkblatt, das vermutlich 1941 entstanden ist, wurde zwar nicht die Option der Einweisung in ein Erziehungslager genannt, aber dennoch eine Strafverfolgung wegen Arbeitsvertragsbruchs neben Bußzahlungen angedroht.

Folgt man den gerichtlichen Untersuchungen des Röchling-Prozesses, wurden laut Anklagebehörde in Etzenhofen insgesamt 1.604 ausländische Arbeiter vom 1. April 1943 bis 31. Dezember 1944 inhaft iert, deren überwiegende Mehrheit Ostarbeiter gewesen waren. Die hier durch die Franzosen gewonnenen Daten basieren auf im März 1946 eingereichten Listen des Lohnbüros, das dieses sicherlich aus den Lohneinbehaltungen, die bei den Etzenhofen-Internierten vorgenommen wurden, zusammengestellt hatte. Zählt man die in den Aufstellungen genannten Personen zusammen ergibt sich eine Gesamtzahl von 1.712. Dieser Wert entspricht jedoch nicht den tatsächlichen Angaben, wenn diese Zusammenstellung als statistische Grundlage für die Zahl der Etzenhofen-Internierten maßgebend sein soll. Die Anklagebehörde versäumte es nämlich zwischen Personen zu unterscheiden, die neu in das Lager eingewiesen wurden und solchen, die bereits im Vormonat oder, bei geringen Strafen, auch in der Vorwoche in Erziehungshaft saßen. Werden nur die tatsächlichen Eintritte berücksichtigt, dann wurden laut der vom Lohnbüro 1946 aufgestellten Liste in Etzenhofen nur 599 Personen interniert. Eine in den Kranzbühler-Unterlagen im Röchling-Archiv in Mannheim überlieferte Übersicht der Röchling-Verteidigung mit dem Titel Ausländer-Erziehungslager Etzenhofen kommt auf 612 Einweisungen. Aus dieser Übersicht geht hervor, dass die Mehrzahl der Internierten, dem Bild des Arbeitseinsatzes bei den RESW entsprechend, Ostarbeiter (273) (≈ 45%) und Franzosen (183) (≈ 30%) waren. Sonstige Ausländer (unter anderem Polen, Ukrainer, Spanier, Ungarn, Belgier, Holländer, Albaner etc.) machten knapp 14% (87) der AEL-Internierten aus. Circa 11% der in das Röchling’sche Straflager überwiesenen Ausländer (69) kamen von Fremdfirmen.

Auch diese bereinigte Berechnung ist nicht korrekt, weil im sogenannten Strafbuch, das im April 1943 angelegt wurde und Einträge bis zum 30. November 1944 enthält, Personen nachgewiesen werden können, bei denen eine Einweisung nach Etzenhofen vermerkt wurde, die aber nicht in der 1946 angelegten Zusammenstellung genannt werden. Ebenso fehlen in diesem Anzeigenheft in den ersten Monaten Eintragungen zu Ostarbeitern, sodass die rund 375 explizit mit einem Vermerk Erziehungslager oder Etzenhofen versehenen Einträge einen nur annähernd zu gebrauchenden Wert darstellen. Von den in der RESW-Aufstellung von 1946 genannten 25 Internierten in Etzenhofen lassen sich anhand des sogenannten Strafbuchs lediglich vier identifizieren.

Können diese Angaben stimmen oder waren etwa weit weniger als 1.604 ausländische Personen in Etzenhofen interniert, als von der Staatsanwaltschaft im Röchling-Prozess angenommen? Folgt man den im Zusammenhang mit der Prozessvorbereitung vorgenommen Vernehmungen der Zeugen, dann befanden sich im Lager Etzenhofen durchschnittlich zwischen 20 bis 40 internierte Arbeiter. Bei einer Betriebszeit des Lagers von ungefähr zwanzig Monaten würde man somit lediglich auf eine Gesamtzahl von 400 bis 800 Internierten kommen.

Einweisungen nach Etzenhofen erfolgten durch das Schnellgericht, das alle vierzehn Tage Sitzungen abhielt. Hatten die Ermittlungen des Werkschutzes die „Schuld“ eines Arbeiters erbracht, konnte dieser in den Räumen des Werkschutzes oder schon im Lager Etzenhofen bis zu seinem Erscheinen vor dem Schnellgericht in Untersuchungshaft genommen werden. So kommt es vor, dass die Nachkriegszusammenstellungen Arbeiter auff ühren, die laut „Strafbuch“ zum Beispiel 56 Tage in das SS-Sonderlager Hinzert bei Hermeskeil eingewiesen wurden.

Einweisungen ohne Schnellgerichtsverfahren gab es anscheinend ebenfalls. Letzteres ist für Februar 1944 belegt, als dreizehn ausländische Arbeiter bei einer Grenzkontrolle aufgegriffen und direkt dem Arbeitserziehungslager Etzenhofen überstellt wurden. Rasner teilte der Gestapo-Abteilung II E mit, dass zwölf der dreizehn Inhaftierten nach 3tägiger Erziehungshaft entlassen werden würden. Lediglich der albanische Häftling Bairam Osmanovic sollte vor das Schnellgericht gestellt werden und bis dahin im Erziehungslager verbleiben.

Mit der Lagerleitung wurde der Völklinger Werkschutzleiter Rasner betraut. Die Überwachung der Häftlinge erfolgte durch ein circa sechs bis acht Mann starkes Wachkommando des Werkschutzes, der im Lager über Hunde verfügte. Werkschutzmänner waren auch für die Bewachung an der Arbeitsstelle in der Kokerei zuständig. Das Wachkommando in Etzenhofen setzte sich am 8. Mai 1944 aus einem Oberwachmann und fünf Wachmännern zusammen.

Am Ende des Jahres 1943 bestand das Röchling’sche Straflager aus zwei Baracken, einer Bürobaracke mit Ausmauerung und zwei gemieteten Backsteinbauten, in denen Kleiderkammern untergebracht war. Es hatte zu diesem Zeitpunkt eine Sollbelegungsstärke von 73 Plätzen. Das Lager Etzenhofen befand sich nur teilweise im Firmeneigentum. Mietzahlungen in Höhe von 486 RM jährlich gingen an die Reichsbahn, als Grundeigentümerin des Geländes, und 60 RM monatlich an den Reichsarbeitsdienst [!sic] für zwei Gebäude. Das Straflager war von einem Stacheldrahtzaun umgeben, der seit Mitte 1943 zusätzlich durch einen Schilfzaun umschlossen wurde, um die Einsicht in das Gelände zu erschweren oder ganz zu verwehren.

Die kahlgeschorenen Häftlinge mussten mit ihrer blauweißen Kleidung, Mütze und Holzschuhen in Völklingen vom Bahnhof zum Torhaus 1 marschieren und im Kokereibetrieb der Hütte arbeiten. Dies stellte eine „Drohkulisse“ für alle Arbeiter dar. Unter härtesten Bedingungen, die Rede ist von Peitschenhieben, mussten die Häftlinge 12-Stunden-Schichten unbezahlt in der Kokerei verrichten. Der desolate physische und psychische Zustand, in dem sie sich aufgrund des Tagesablaufes befanden, sollte den anderen Arbeitern ebenfalls vorführen, welche Auswirkungen die Einweisung in das AEL Etzenhofen zur Folge hatte.

Im Betrieb der Kokerei wurden die Etzenhofer Häftlinge in geschlossenen Kolonnen zum Verladen von Koks, Teer und Pech eingesetzt. Nach einer Erklärung des Kokereibetriebschefs Dr. Ing. Heinrich Hoffmann vom 12. März 1948 wurde lediglich die Arbeit für diese Arbeiter durch das Unternehmen gestellt. Während ihres dortigen Einsatzes seien sie von Rasners Werkschutz beaufsichtigt worden, der nur dessen Weisungen unterstanden habe.

Dieser harte und krankmachende Sondereinsatz in der Kokerei war allerdings keine im Zusammenhang mit dem Arbeitseinsatz der AEL-Häft linge geschaffene Neuregelung. Bereits in einem Rundschreiben der RESW vom 11. Dezember 1942 konnten Ostarbeiter, die sich vor der Arbeit drückten, für acht bis zehn Tage einem Straftrupp im Betrieb 20 (Kokerei) für besonders schwere Arbeit zugeteilt werden. Anschließend mussten sie wieder dem ihnen eigentlich zugewiesenen Betrieb zugeführt werden.

Diese Form der Strafmaßnahme (Straftrupp) gegen Ostarbeiter ging auf eine Musteranweisung an Wachmänner in Ostarbeiterlagern zurück, die ihrerseits wiederum auf Bestimmungen in der Bewachung von Kriegsgefangenen beruhte. Laut einem Erlass zur polizeilichen Behandlung und Überwachung der ausländischen Arbeitskräfte konnten aus dem altsowjetischen Gebiet stammende Arbeiter bei Disziplinlosigkeiten unter anderem mit der Zuteilung zum Straftrupp sanktioniert werden.

Unter den Anklageunterlagen der französischen Staatsanwaltschaft zum Röchling-Prozess sind einige Bekanntmachungen über Urteile des Schnellgerichts überliefert. Daneben können aus dem „Strafbuch“ des Werkschutzes Informationen über die Gründe der Einlieferung in das Lager Etzenhofen gewonnen werden. Diese Dokumente geben einen kleinen Überblick über die den Arbeitern zur Last gelegten Delikte, aufgrund derer sie verurteilt und in das AEL Etzenhofen eingewiesen wurden. Die Haftdauer konnte von einem Tag bis zu 56 Tage betragen und anschließend mit Konzentrationslager verlängert werden. Für ein und dasselbe „Vergehen“ wurden unterschiedliche Strafen ausgesprochen.

Es zeigt sich, dass Arbeiter nicht nur wegen (fortgesetzten) Bummelns, Zurückhalten von Arbeit, Arbeitsverweigerung oder Arbeitsvertragsbruch nach Etzenhofen eingewiesen wurden. Das Spektrum war breit gefächert: Diebstähle von Lebensmitteln oder Materialien (= Schädigung der Kriegswirtschaft), Kameradendiebstahl, der verbotene Handel mit Brotmarken oder Schuhen, Urlaubsüberschreitung, tätliche Angriffe auf das Wachpersonal oder Vorarbeiter bzw. Bedrohungen, illegaler Grenzübertritt nach Lothringen, staatsfeindliche Äußerungen, allgemeine Disziplinlosigkeit, Verstöße gegen die Lagerordnung, Verlassen des Kreisgebietes ohne polizeiliche Genehmigung, Fundunterschlagung und Betrugsversuch, Bettelei, Flucht, wiederholtes Fehlen, Schlafen während der Arbeitszeit oder Belästigung der Russenfrauen.

Todesfälle

Gabriele Lotfi charakterisiert die AEL als „Todeslager für ausländische Zivilarbeiter“. Erstaunlich ist, dass über die Opferzahlen im Erziehungslager Etzenhofen kaum Hinweise vorliegen. Der in der Vergüterei (Betrieb 88) eingesetzte Wasili Kowalew ist das einzige in der Nachkriegsliste der RESW erwähnte Opfer, dessen Sterbeort explizit mit Erziehungslager Etzenhofen angegeben ist.

Am 19. Juli 1944 zeigte der Betrieb 88 einen unter der Lagernummer 1.765 geführten Ostarbeiter wegen eines Diebstahls beim Werkschutz an. Dort erfasste man diesen Vorfall in dem eigens geführten Buch über Vergehen ausländischer Arbeiter unter der laufenden Nummer 2.136. Nachdem mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Sitzung des Röchling’schen Schnellgerichts stattgefunden hatte und Kowalew zu 56 Tagen Etzenhofen verurteilt worden war, wurde er schließlich zwischen dem 23. und 29. Juli 1944 als Sträfling in das Lager Etzenhofen eingeliefert. Kowalew befand sich durchgehend bis zu seinem Tod in Arbeitserziehungshaft. Wie sein beim Standesamt Riegelsberg eingetragener Sterbebucheintrag erkennen lässt, verstarb er am 24. September 1944 durch den Genuß von Kartoffelknollen. Die Kriminalpolizei, die dem Standesamt den Vorfall meldete, ging von einem Selbstmord aus. Der Fall zeigt, wie physisch und psychisch belastend und seelisch vernichtend die Einweisungen in das AEL Etzenhofen und die Strafarbeit gewesen sein mussten. Kowalews Leichnam wurde schließlich am 30. September 1944 auf dem Waldfriedhof in Grab A 185 beerdigt.

Das Arbeitsamt Saarbrücken fordert die Friedhofsverwaltung der Stadt Völklingen auf, einen Grabstellenausweis für den im AEL Etzenhofen verstorbenen Wasili Kowalew einzusenden.

Das Arbeitsamt Saarbrücken fordert die Friedhofsverwaltung der Stadt Völklingen auf, einen Grabstellenausweis für den im AEL Etzenhofen verstorbenen Wasili Kowalew einzusenden.

Nach Zeugenaussagen im Prozess gegen Hermann Röchling und dessen Mitangeklagte soll es aber weitere Opfer im Lager gegeben haben. So gaben mehrere Zeugen zu Protokoll, einen Wagen gesehen haben, auf dem Leichen aus dem Lager transportiert wurden.

Vermutlich an den Folgen des unmenschlichen Arbeitseinsatzes in der Kokerei ist ein weiterer ausländischer Erziehungshäftling verstorben. Im April 1944 erwähnte der Oberwachmann Schröder, dass ein Arbeiter, der als Etzenhofen Internierter identifiziert werden kann, aufgrund seiner körperlichen Schwäche verstorben war.

Im Mai 1944 wurde die Arbeitsleistung der Erziehungshäftlinge an der Koksanlage auf einer Hauptkonferenz beanstandet. Der in dieser Sache an den Werkschutzleiter berichtende Oberwachmann Schröder führte diesen Umstand nicht auf die Energielosigkeit des Wachpersonals zurück, sondern auf die tatsächlich gegebene, geringe körperliche Leistungsfähigkeit gewisser Häftlinge. Hinzu kam, dass den Häftlingen nicht genügend leere Wagen zum Koksverladen zur Verfügung standen, wodurch unnötige Arbeitspausen entstanden seien. In diesem Zusammenhang berichtete er auch, dass einer der AEL-Gefangenen, der in der Kokerei eingesetzt gewesen war, zwischenzeitlich verstorben sei. Dabei handelte es sich um Peter Koslitin, der am 15. März 1944 sein Leben ließ. Der unter Lagernummer 77.993 (und 2.849) geführte Koslitin war laut „Strafbuch“ am 12. Februar 1944 für 28 Tage nach Etzenhofen eingeliefert worden, weil er für seinen Betrieb, mittlerweile arbeitete er im Kalkwerk in Berus, als Faulenzer galt. Koslitin, der noch in der Zeit zwischen dem 4. und 11. März 1944 im AEL interniert war, starb an einer Lungenentzündung.

Weitere Opfer, die im Lager oder an den Folgen der unmenschlichen Arbeit später verstorben sind, lassen sich nicht nachweisen. Folgt man den Aussagen des Arztes Dr. Paul Grouven gab es weitere Menschen, die aufgrund ihres Aufenthaltes im Straflager den Tod fanden. Welche Folgen weitere Misshandlungsfälle hatten, kann schwer geklärt werden. Erkrankte Ostarbeiter wurden offenbar in das Revier des Lagers I eingeliefert, dabei sei eine Person kurze Zeit später verstorben. Anderen Zeugenaussagen zufolge soll im Lager des Öfteren ein Wagen vorgefahren sein, der im Geheimen Leichen abtransportierte. Hierbei könnte es sich aber auch um eine Verwechselung mit einem von Alois Grün genannten Krankenwagen haben.

Einen Zusammenhang des Todes der Valentina Martschenko und des Wladislaus Tschernucha/Tschernucho am 16. Juli 1944 und ihrer Internierung im Lager Etzenhofen zwischen dem 15. und 28. August 1943 bzw. zwischen dem 19. und 24. Dezember 1943 kann nicht direkt nachgewiesen werden, da beide bei einem Luftangriff ums Leben kamen. Ob sie sich aufgrund einer Erkrankung, die als Folge der AEL-Haft aufgetreten war, im Revier des Lagers befanden, konnte nicht geklärt werden.